Die Cup-Halbfinals stehen an! In dieser Woche werden aus den verbliebenen 4 Teams die beiden Finalisten ermittelt, ehe es am 15. Mai 2022 im Berner Wankdorf zum Endspiel kommt. Wie letztes Jahr sind auch in der diesjährigen Ausgabe des Pokalwettbewerbs die grossen Favoriten bereits ausgeschieden. Bolzplazz wagt eine Vorschau und zeigt auf, welcher der vier Underdogs den Titel holen könnte.
Gerade einmal sieben Cuptitel bringen die diesjährigen Halbfinalisten zusammen. Die Schwergewichte des Schweizer Fussballs mussten wie schon im letzten Jahr früh ihre Segel streichen. Dem Gewinner winkt neben der seltenen Chance auf einen Titel auch das europäische Parkett, er wird die Qualifikation für die Gruppenphase der UEFA Conference League bestreiten.
Im ersten Halbfinal empfängt der zweitklassige Yverdon-Sport FC im heimischen Stadion den FC St.Gallen 1879. Das zweite Duell wird im Stadio di Cornaredo zwischen dem FC Lugano und dem FC Luzern ausgetragen. In den letzten zehn Cup-Ausgaben gab es mit Basel (3x), dem FCZ (3x), GC, Sion, YB und Luzern insgesamt sechs verschiedene Gewinner. Gut möglich, dass sich Mitte Mai in Bern ein weiterer Verein in die jüngste Wettbewerbshistorie einträgt. Zur Einstimmung und Vorbereitung auf die heissen Cup-Affichen nehmen wir die vier verbleibenden Teams etwas genauer unter die Lupe:
Yverdon-Sport FC
Bisherige Gegner 2021/22: FC Seuzach, FC Wil 1900, FC Zürich, Lausanne-Sport
Statistiken 2021/22: 18 Tore, 2 Gegentore / Toptorschützen: Koro Koné, Steve Beleck (je 5 Treffer)
Anzahl Cuptitel: 0
Letzter Cupsieg: —
Aus diesen Gründen werden die Waadtländer erstmals Cupsieger:
Der Traditionsverein aus dem Waadtland stand zuletzt 2001 im Endspiel des Schweizer Pokalwettbewerbs. Damals unterlag man Servette klar mit 0:3 und das Warten auf den ersten Cuptitel ging weiter. In dieser Saison könnte diesem nun endlich ein Ende gesetzt werden, denn Yverdon spielt bislang eine fantastische Kampagne.
Unter der Regie von Uli Forte bezwang man den ebenbürtigen FC Wil, stellte dem wohl zukünftigen Schweizer Meister FC Zürich im Elfmeterschiessen ein Bein und schaltete danach den Kantonsrivalen Lausanne-Sport aus. Der Mann an der Seitenlinie ist indes Yverdons grösster Trumpf: Mit Forte angelten sich die Verantwortlichen im letzten Sommer nicht nur viel Prestige, sondern vor allem auch viel Qualität. Forte hat den Challenge-League-Aufsteiger stabilisiert und in dieser Saison kontinuierlich weiterentwickelt. Unter dem Strich steht eine sorgenfreie Spielzeit mit 38 Punkten und keinerlei Abstiegssorgen.
Uli Forte ist Yverdons X-Faktor.
Das wirkliche Highlight für Yverdon ist aber der Cup: Gegen die beiden Favoriten aus Zürich und Lausanne feierte man kleine Fussballfeste im Stade Municipal und steht nun völlig verdient im Halbfinale. Mit Forte hat man zudem eine Art Cup-Spezialist auf der Trainerbank: Der gebürtige Zürcher kann als einziger verbleibender Coach schon zwei Cuptitel vorweisen. Die eine Trophäe holte er 2013 mit dem Grasshopper Club, den anderen Pokal drei Jahre später mit dem FCZ. Das Team kann als Unterklassiger nicht nur völlig unbeschwert und mit Heimvorteil den Halbfinal angehen, sondern sie haben auch einen Trainer mit Cupsieger-Gen.
Der Underdog kann ohne Druck agieren und in umkämpften Cup-Fights kann die Erfahrung und Cleverness eines Uli Forte das Zünglein an der Waage sein. Des Weiteren stellen die Westschweizer mit Koro Koné (32) und Steve Beleck (29) zwei der drei Toptorschützen der diesjährigen Ausgabe. Gut möglich, dass das erfahrene Sturmduo noch weiteren Vertretern aus der Super League Treffer einschenkt.
FC St.Gallen
Bisherige Gegner 2021/22: FC Münsingen, CS Chênois, FC Chiasso, Etoile Carouge
Statistiken 2021/22: 16 Tore, 4 Gegentore / Toptorschütze: Fabian Schubert (5 Treffer)
Anzahl Cuptitel: 1 (1968/69)
Letzter Cupsieg: vor 53 Jahren
Darum wandert der Pokal dieses Mal in die Ostschweiz:
Beim FCSG herrscht aktuell Euphorie. Dank geschickten Verstärkungen in der Winterpause und einem sensationellen Teamspirit ist man die beste Schweizer Profimannschaft im Jahr 2022. Mit sieben Siegen und vier Remis in der Rückrunde rollen die St. Galler momentan die Ligatabelle von hinten auf. Allein ein Blick auf die Formtabelle genügt also, um als FCSG-Anhänger voller Optimismus in Richtung des möglichen Cuptitels zu blicken. Fast alle arrivierten Spieler haben einen deutlichen Leistungssprung gemacht, das Kollektiv funktioniert und dazu kommen überraschende sowie geniale „Neuentdeckungen“ wie beispielsweise Isaac Schmidt (22) als Linksverteidiger.
Peter Zeidlers Mannen sind nicht nur im Flow, sondern können sich dank entledigter Abstiegssorgen nun noch stärker auf den Cup fokussieren. Dies hätte nach dem Ende der Hinrunde wohl niemand gedacht und bringt die Espen auch in eine deutlich bessere Position im Kampf um den Titel. Letztes Jahr machten die St. Galler den Klassenerhalt erst am vorletzten Spieltag klar, was mental gesehen sicherlich mit ein Grund für die kurz darauf folgende Finalniederlage gegen den FC Luzern war.
Isaac Schmidt ist St.Gallens Entdeckung der Rückrunde.
Peter Zeidler hat ähnlich wie in der Saison 2019/20 das ideale Spielermaterial für sein intensives Pressing-System gefunden. Wird dieses so perfekt wie in den vergangenen Wochen auf den Rasen gebracht, ist der FCSG kaum zu stoppen. Obwohl der Halbfinal und ein denkbares Endspiel beide nicht im heimischen Kybunpark stattfinden, sind im Vergleich zur Vorsaison wieder Fans ohne Covid-Beschränkungen zugelassen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Espen wohl etwas mehr als andere Vereine von der Unterstützung der Anhänger leben. Die St.Galler werden auf jeden Fall zahlreich vor Ort sein – ob im Stade Municipal oder im Wankdorf. Insofern sind ein starker 12. Mann und eine lautstarke Unterstützung wichtige Faktoren, die den Ostschweizern in die Karten spielen.
FC Lugano
Bisherige Gegner 2021/22: FC La-Chaux-de-Fonds, Neuchâtel Xamax, BSC Young Boys, FC Thun
Statistiken 2021/22: 14 Tore, 5 Gegentore / Toptorschütze: Mattia Bottani (3 Treffer)
Anzahl Cuptitel: 3 (1930/31, 1967/68, 1992/93)
Letzter Cupsieg: vor 29 Jahren
Der FC Lugano präsentierte sich von allen Cup-Halbfinalisten über die gesamte Saison gesehen sicherlich am konstantesten. Mit Ausnahme zweier negativer Ausreisser ganz zu Beginn der Spielzeit, platzierten sich die Bianconeri immer zwischen dem 3. und 6. Tabellenrang. Ebenfalls ist bei den Tessinern kein frappanter Unterschied zwischen Heimbegegnungen und Auswärtspartien auszumachen, denn in beiden Ranglisten sind sie auf dem dritten Rang klassiert.
Nach einem eher turbulenten Saisonstart inklusive Besitzer- und Trainerwechsel, hat Mattia Croci-Torti mit seiner Spielweise und seinem Naturell dem gesamten Verein eine neue Dynamik verliehen. Die Luganesi sind unter anderem auch aufgrund ihrer vielen Routiniers wie Reto Ziegler (36) oder Jonathan Sabbatini (34) kaum aus der Bahn zu werfen und wirken sehr gefestigt. Mit ehrlicher und guter Arbeit etwas abseits des Scheinwerferlichts und einem cleveren Coach stehen die Tessiner völlig zurecht so weit oben in der Tabelle.
Mattia Croci-Torti hat Lugano dynamisiert.
Ohne grosses Spektakel, dafür mit äusserst kompaktem Mannschaftsgefüge, verdient sich der FC Lugano gute Ergebnisse Woche für Woche (die letzten beiden Spieltage mit Packungen gegen Sion (1:3) und Lausanne (1:4) mal ausgeklammert). Die Konstanz gibt dem Team viel Sicherheit und Vertrauen in die eigenen Stärken. In kniffligen und umkämpften K.O.-Duellen kann diese Eigenschaft nur von Vorteil sein. Nicht umsonst hat man im Achtelfinale gegen den amtierenden Meister und im Viertelfinale gegen einen gefährlichen Challenge Ligisten die Ruhe bewahrt und sich durchgesetzt. Neben der gewohnten defensiven Stabilität der Luganesi hat zuletzt mit Zan Celar (23) auch ein Offensivmann für Furore gesorgt. Der Slowene hatte in der Rückrunde schon bei sieben Treffern seine Füsse im Spiel und dürfte in dieser Form zusammen mit Mattia Bottani (30) auch im Cup reüssieren.
FC Luzern
Bisherige Gegner 2021/22: SC Cham, SC Buochs, FC Schaffhausen, FC Biel-Bienne
Statistiken 2021/22: 10 Tore, 1 Gegentor / Toptorschützen: Dejan Sorgic, Lorik Emini, Ibrahima Ndiaye (je 2 Treffer)
Anzahl Cuptitel: 3 (1959/60, 1991/92, 2020/21)
Letzter Cupsieg: vor einem Jahr
Wieso der FCL seinen Titel verteidigt:
Kaum jemand hätte den Luzernern letzte Saison den Cupsieg zugetraut. Doch mit cleverer Spielart, ein wenig Losglück und einer überzeugenden Leistung im Endspiel gegen St.Gallen sicherten sich die Innerschweizer nach etlichen Jahren wieder eine Trophäe. Die Vorzeichen sind bei dieser Ausgabe insofern anders, als dass an der Seitenlinie mit Mario Frick ein ganz anderer Trainertyp als Fabio Celestini steht.
Setzte man sich 2020/21 auch aufgrund der spielerischen Klasse durch, punktet der abstiegsgefährdete FCL im neuen Jahr hauptsächlich durch eine starke Mentalität der Mannschaft. Von der letztjährigen Final-Startelf tragen auch in dieser Spielzeit acht Akteure das blau-weisse Trikot. Einzig Stefan Knezevic, Louis Schaub und Christian Schwegler stehen dem Trainer nicht mehr zur Verfügung. Dass die meisten Luzerner Spieler jüngst ein erfolgreiches Endspiel bestritten haben, kann ein entscheidender Faktor werden. Obwohl der letztjährige Cupfinal leider nur vor 100 Zuschauern ausgetragen werden konnte, kennen Burch, Ugrinic & Co. den Druck einer solch eminent wichtigen Partie und können diesen mit positiven Emotionen verbinden.
Heisssporn Marius Müller ist der grosse Luzerner Rückhalt.
Mario Frick gilt als hervorragender Motivator. Der Liechtensteiner wird seine Farben optimal auf die Cup-Partien einschwören. Wenn zudem mit Pascal Schürpf der Wankdorf-Held von letzter Saison wieder fit ist, könnte der FC Luzern trotz Abstiegssorgen erneut einen Titel bejubeln. Die wenigen Gegentore im Cup sind ein weiterer Faktor, der für den Titelverteidiger spricht – auch wenn die bisherigen Gegner nicht sehr namhaft waren. Nachdem man in der letztjährigen Kampagne nämlich nur vier Gegentore bis zum Pokalgewinn schlucken musste, hat die FCL-Defensive bislang nur einen einzigen Gegentreffer kassiert. Dieser Bestwert ist zu einem grossen Teil auch dem heissblütigen Torwart Marius Müller (28) zu verdanken, der wie schon in der letzten Cupsaison in entscheidenden Momenten voll da ist.