Haris Tabakovic wechselt zu Austria Wien – Über Umwege an die Spitze?

Haris Tabakovic (27) ist seit Sommer 2020 der beste Torjäger mit Schweizer Pass. Nach zwei Jahren beim österreichischen Zweitligisten Lustenau, wurde er nun mit einem Transfer zum Traditionsklub Austria Wien belohnt. Ist er bereit für diesen Schritt?

Einst galt Tabakovic als grosse Schweizer Zukunftshoffnung. Der ehemalige YB-Junior traf im Nachwuchsbereich wie er wollte und war eine prägende Figur im Schweizer U21-Nationalteam. Doch seine Karriere verlief nicht wie erhofft. Heute ist Tabakovic 27 Jahre alt und verdient sein Geld in der 2. österreichischen Liga. Bei Austria Lustenau nahe der Schweizer Grenze, hat er die Freude am Fussball wiedergefunden. Dank einer phänomenalen Torquote empfiehlt er sich dort für höhere Aufgaben – und wird nun mit einem Transfer zur Austria Wien belohnt.

Über Umwege nach Lustenau

Dass er überhaupt noch einmal auf diesen Niveau eine Chance erhält, ist alles andere als selbstverständlich – er hat es einzig seiner Resilienz und seiner harten Arbeit neben dem Platz zu verdanken. Nach unbefriedigenden Jahren in der Super League bei YB und GC (insgesamt 56 Spiele und 3 Tore) musste er kleinere Brötchen backen. In der Heimat galt Tabakovic als Chancentod:“Mein Name war in der Schweiz verbrannt“, lässt er sich gegenüber SRF zitieren. Es folgt eine kleine Odyssee durch Ungarn, wo er sich nach einer starken ersten Saison bei Debrecen (12 Tore) im Sommer 2018 schwer am Knie verletzt und fast ein ganzes Jahr lang ausfällt. Nach seiner Rückkehr auf den Rasen teilt ihm der Verein mit, dass man nicht mehr mit ihm plane.

Der Berner kommt beim Abstiegskandidaten Diósgy?ri unter, wo er aber einen schweren Stand hat. Nur viermal darf er in der Saison 2019/20 von Beginn weg ran. Freilich viel zu wenig, um nach seiner langen Zwangspause wieder in einen Rhythmus zu kommen. So entscheidet sich Tabakovic im Sommer 2020, das Kapitel Ungarn zu schliessen. Nach reifer Überlegung macht er einen Schritt zurück, um zwei nach vorne zu gehen. Beim kultigen österreichischen Zweitligisten Austria Lustenau soll ihm der Turnaround gelingen. Es ist ein risikobehafteter Schritt, nicht nur finanziell, sondern auch karrieretechnisch: „In einer zweiten Liga eines kleineren Landes weisst du einfach, dass du richtig gut sein musst, um wieder hochzukommen“, so der 27-Jährige im Gespräch mit dem „Bund“.

Leistungsexplosion in der zweiten österreichischen Liga: Bester Torjäger mit CH-Pass

Und genau das gelingt ihm. Tabakovic steigt zur überragenden Figur der zweiten Liga auf und ballert sich mit einer irren Torquote zurück ins Schaufenster. In seiner ersten Saison sind es 18 Treffer und 7 Vorlagen in 23 Partien, in der aktuellen Spielzeit kommt er in 19 Spielen auf unglaubliche 22 Tore und 3 Assists. Unter dem Strich stehen 50 Torbeteiligungen in 42 Auftritten für Austria Lustenau. Kein Profi mit Schweizer Pass kommt im gleichen Zeitraum auf eine so starke Quote. Tabakovic lebt in der österreichischen Fussballprovinz also den Traum jedes Vollblutstürmers – und erhält in der nächsten Saison eine Chance beim nationalen Topklub Austria Wien, der sich vor wenigen Tagen seine Dienste gesichert hat.

Wie war diese Leistungsexplosion möglich? Ein wichtiger Grund dürfte der Standort Lustenau sein: Nähe zur Heimat, wenig Erfolgsdruck, ruhiges Umfeld. Und: Tabakovic schuftet hart neben dem Platz, ist mental deutlich gereift. Die schwierige Zeit in der Super League und seine Leidensgeschichte in Ungarn haben ihn geprägt und ihm aufgezeigt, dass Talent allein nicht ausreicht. Will man als Profi weit kommen, muss man auf seinen Körper achten und an seiner Einstellung arbeiten: „Früher war ich sehr verbissen, es gab bei mir nur Fussball, Fussball, Fussball (…) Heute will ich erstmal gesund bleiben“, so Tabakovic gegenüber dem Fussballportal „BNM“.

Ein weiterer Grund für die überragende Ausbeute liegt im System der Lustenauer begründet. Tabakovic fungiert mit seiner beeindruckenden Physis und seiner Körpergrösse von 1,94m als Abnehmer für hohe Bälle im Strafraum und wird konstant von den schnellen Aussenbahnspielern mit Zuspielen gefüttert. Seine Treffer erzielt er oft aus kurzer Distanz per Kopf oder mit präzisen Abschlüssen aus dem Rücken der Abwehr. Tabakovic hat ein ausgezeichnetes Näschen und weiss ganz genau, wo er stehen muss. Dank seinem Stürmerinstinkt und der nicht ganz vernachlässigbaren Tatsache, dass das Niveau der zweiten österreichischen Liga teilweise sehr niedrig ist, entsteht ebenjene phänomenale Torquote.

Bereit für den Schritt in die Bundesliga?

Tabakovics Plan, sich in Lustenau wieder für grössere Vereine interessant zu machen, ist also perfekt aufgegangen. Bereits im Winter gab es einige Anfragen für ihn, nun hat Austria Wien Vollzug vermeldet: Der Schweizer Angreifer unterschrieb einen Vertrag bis 2025 und soll im Angriff zu einer Stütze werden.

Ist ihm das zuzutrauen? Die Statistik aus der zweiten Liga spricht eine deutliche Sprache, Tabakovic ist zu gut für das Unterhaus. Aber ist er auch gut genug für einen grossen Traditionsverein wie die Austria? Geht es nach ihm, dann ganz bestimmt: „Ich sehe mich ehrlichgesagt nicht als 2.-Liga-Spieler“, gab er dem „kicker“ im November zu Protokoll. Seine Ambitionen liegen auf Erstliga-Niveau – und das völlig zurecht. Wer eine zweite Liga so dominiert wie Tabakovic, hat sich schlicht und ergreifend eine Chance im Oberhaus verdient. Der Berner ist topfit und heiss auf diese Gelegenheit, auf die er seit eineinhalb Jahren aufopferungsvoll hinarbeitet. Es darf niemanden erstaunen, wenn er sie auch packen sollte.

Jedoch gibt es genug warnende Beispiele dafür, dass der Schritt aus einer zweiten in eine erste Liga nicht immer reibungslos verläuft. Ein prominenter und aktueller Fall ist Fabian Schubert (27). Der baumlange österreichische Stürmer kam in der letzten Saison für Blau-Weiss Linz auf eine ähnliche Quote wie Tabakovic (33 Tore in 28 Spielen), ehe er sich im Sommer 2021 dem FC St.Gallen anschloss. Die Umstellung ist ihm aber nur schwer gelungen, fast 8 Monate lang musste er auf sein erstes Super-League-Tor warten. Aber: Die Austria ist nicht St.Gallen, und Tabakovic nicht Schubert. Man darf also gespannt sein, wie sich der Schweizer Sturmtank in Wien präsentieren wird…

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