«Mein Vorbild? Adama Traoré!»

Er ist einer der prägenden Spieler dieser Mannschaft: Yverdon-Sports portugiesischer Flügelspieler Marculino Ninte (23) spricht mit uns über den Aufstieg in die Challenge League, seine persönlichen Ambitionen und seinen ungewöhnlichen Karriereweg. Er erzählt uns, dass er eigentlich zur AC Bellinzona hätte wechseln sollen – und nun den Traum hegt, eines Tages für seine zweite Heimat aufzulaufen.

Hallo Marculino! Wie war die Yverdon-Sport Aufstiegsparty?

Die war sehr gut! (lacht) Wir waren sehr glücklich, das war der Lohn von zwei Jahren Arbeit. Im letzten Jahr stiegen wir nicht auf, weil die Saison aufgrund von Covid-19 abgebrochen wurde. Umso grösser war unsere Freude jetzt, wir waren alle so happy, es war unglaublich!

Du bist einer der wichtigsten Spieler des Teams. Was kannst du uns über dich erzählen? Was ist deine Rolle in der Mannschaft?

Ich versuche immer, das Maximum aus meinen Qualitäten herauszuholen. Ich arbeite sehr viel, gebe immer alles. Ich versuche stets, meine Leistungen zu verbessern. Meine Aufgabe ist es, immer zu performen und das Vertrauen, das Coach und Klub in mich setzen, zu rechtfertigen. Ich will immer das Beste, für mich, meine Teamkameraden und den Klub.

5 Tore bisher in dieser Saison, in der letzten Spielzeit waren es 8 Treffer. Wie zufrieden bist du mit deinen individuellen Leistungen für YS?

Ich bin zufrieden, aber ich weiss, dass ich noch viel mehr kann. In der letzten Saison konnten wir nur 16 oder 17 Spiele absolvieren. Auch in dieser Saison war die Spielanzahl reduziert. Wenn wir endlich einmal eine Saison mit der vollen Anzahl Spiele haben, glaube ich, noch deutlich mehr Scorerpunkte sammeln zu können.

Es ist deine 2. Saison bei Yverdon-Sport. Im letzten Jahr wärt ihr wohl aufgestiegen, wenn Covid-19 nicht den Saisonabbruch erzwungen hätte. Wie hat euch der Meisterschaftsstopp in der letzten Saison beeinflusst? War es eine extra Motivation für dieses Jahr oder vor allem deprimierend?

Es war natürlich ein sehr deprimierender Moment. Zuerst wurde uns noch gesagt, dass wir trotz dem Saisonabbruch noch aufsteigen würden. Aber nach zwei, drei Monaten wurde entschieden, die Meisterschaft zu annullieren und in der nächsten Saison wieder neu zu starten. Das war wirklich sehr schwer für uns. Damals kamen bei den Spielern viele Fragen auf: Sollte man das Team verlassen und sich einen Club auf höherem Level suchen? Oder soll man trotz der Annullierung bleiben? Es war nicht einfach für uns. Aber das Opfer hat sich gelohnt, wir steigen nun in diesem Jahr endlich auf.

Wie hat sich das Team entwickelt, seit du dazugestossen ist?

Der Erfolg war natürlich nicht nur wegen mir! (lacht) Es ist ein tolles Team, sie helfen mir alle, mich zu entwickeln und ich helfe ihnen mit meinen Qualitäten. Wir helfen uns alle gegenseitig.

YS spielt eine fantastische Saison. Ihr dominiert die Promotion League und steigt verdientermassen auf. Was denkst du ist für Yverdon in der Challenge League möglich?

Wir haben ein gutes Team. Wir wissen halt noch nicht, ob es über den Sommer viele Wechsel im Team gibt. Es wird ganz sicher eine Challenge. Wir lieben Herausforderungen, daher weiss ich, dass wir eine gute Figur abgeben werden. Wenn wir weiterhin so gut und professionell wie in den letzten zwei Jahren arbeiten, wird das eine tolle Sache.

Verfolgst du die Challenge League? Kann Yverdon-Sport auf diesem Level konkurrenzfähig sein?

Ich verfolge sie ein wenig, ja. Ich denke nicht, dass der Sprung zu gross wird für uns. Ja, es wird Veränderungen geben im physischen und taktischen Bereich, aber wir kriegen das hin. Wir haben absolut das Level, um in der Challenge League mitzuhalten.

Die Challenge League wird das höchste Level sein, auf dem du bislang gespielt hast. In der Schweiz spricht man ab diesem Niveau von professionellem Fussball. Seid ihr bereits jetzt professionelle Fussballer? Oder habt ihr noch ein zweites Einkommen?

In meinem Kopf bin ich bereits professionell. Ich arbeite jeden Tag an mir selber. Ich will immer das nächste Level erreichen. Das Gehalt, das ich von Yverdon-Sport erhalte, reicht aus. Ich lebe nur mit diesem Geld. Einige unserer ältester Spieler haben jedoch noch ein zweites Einkommen.

Es wirkt, als wärst du bei YS wirklich angekommen. In den Jahren davor hast du den Verein oft gewechselt. Kannst du uns deinen Weg etwas genauer beschreiben?

Ja, ich habe den Verein oft gewechselt. Ich habe auf diese Weise aber viele verschiedene Dinge gelernt. Ich bin als junger Spieler sehr früh reif geworden. Ich habe mein Zuhause im Alter von 17 Jahren verlassen und ging alleine nach Österreich. Dort spielte ich beim SK Bischofshofen (heute 3. Liga), wo ich viel über meinen Körper und meine Physis gelernt habe. In Italien habe ich viel über Taktik gelernt, wie ich mich auf dem Feld zu verhalten habe. In der Schweiz nutze ich nun all das, was ich auf meinen vorherigen Stationen gelernt habe und werde jedes Jahr besser.

Von AD Oeiras aus, deinem Jugendklub in Portugal, gingst du nach Österreich zu Bischofshofen. Wie ist dein Wechsel nach Österreich abgelaufen?

Bei Oeiras spielte ich in der Junioren-Mannschaft, als Scouts unsere Spiele besuchen kamen. Sie wollten meinen damaligen Trainer zu Bischofshofen holen. Der Coach erzählte mir, dass sie an ihm interessiert seien und fragte mich, ob ich mitgehen wolle. Dann haben wir uns zusammen für diesen Schritt entschieden. Für mich war es eine gute Gelegenheit, mich zu entwickeln und zu verbessern.

Nach einem Jahr in Österreich ging deine Reise in Italien weiter. Wie kam es zu diesem Schritt?

Ich hatte ein gutes Jahr in Österreich. Ich spielte fast in jeder Partie und erzielte ein paar Tore. Dann kam plötzlich die Anfrage aus Italien, und wenn du jung bist denkst du: Wow, Italien! Ein grosses Fussballland. Also entschied ich mich, dorthin zu gehen.

Nach drei Jahren in Italien kam schliesslich der Transfer zu Yverdon-Sport. Wie bist du in der Schweiz gelandet?

Eigentlich wurde mir gesagt, ich solle zur AC Bellinzona gehen. Plötzlich rief mich aber mein Agent an, als ich in Portugal war. Er sagte es gäbe noch einen Klub, der sich für mich interessieren würde. Also flog ich hin, machte drei Trainings und mochte den Verein und die Leute hier auf Anhieb. Ich entschied mich daher sofort für den Wechsel zu Yverdon-Sport.

Bei YS hast du den nächsten Schritt genommen und bist nun offiziell ein professioneller Fussballer. Wurdest du in letzter Zeit von einem anderen Schweizer Klub kontaktiert? Vielleicht aus der Challenge League, oder gar der Super League?

Direkt hatte ich Kontakt mit zwei Klubs. Es gab auch andere Anfragen, die ich mir angehört habe, aber nichts Konkretes. Ich wollte zuerst den Aufstieg mit YS schaffen, bevor ich dem Verein wieder den Rücken kehre. Ich wollte Yverdon nicht auf diese Weise verlassen, besonders nicht nach der grossen Enttäuschung und dem Saisonabbruch der letzten Saison.

Dein Ziel ist erreicht, du hast dem Klub zum Aufstieg verholfen. Bleibst du an Bord?

Dazu möchte noch ich nichts sagen. In diesem Moment ist alles unklar.

Deine Beratungsagentur ist 44 ETO LTD, einer ihrer Klienten ist bspw. Yanis Lahiouel von SLO. Was hast du für eine Beziehung zu dieser Organisation? Wie lange bist du bereits dort?

Ich bin seit zwei Jahren dort. Wir haben eine tolle Beziehung, wir sind wie eine Familie. Wir sprechen nicht nur über Fussball und Business. Wir essen zusammen, unternehmen auch mal was.

Stimmt es, dass dein Spitzname “Nintendo” ist?

(Lacht) Ja, das stimmt!

Wie kam es dazu?

Ich glaube eine Zeitschrift aus der Region nannte mich einmal «Super Nintendo». Und irgendwie ist das haftengeblieben. Auch die Fans nennen mich so.

Der Name passt ja irgendwie. Du bist ein schneller, dribbelstarker Flügelspieler. Was sind deine grössten Stärken als Spieler?

Mein Speed!

Wie passt das Yverdon-Spielsystem zu dir? Gibt es für dich einen individuellen Gameplan?

Das System passt sehr gut zu mir und den anderen Flügelspielern. Wir pressen nicht wie wild, sondern lassen unserem Gegner etwas Raum. Wenn sie an einer bestimmten Stelle im Spielfeld angekommen sind, gehen wir auf sie los, gewinnen den Ball und nutzen mit unserem Speed die Räume hinter ihnen aus. Teilweise gibt mir der Coach individuelle Aufträge und einen eigenen Matchplan, etwa, wenn der Gegner sehr weit hinten drinsteht. Dann ist es meine Aufgabe, in der gegnerischen Defensive Lücken zu reissen.

Wer ist deiner Meinung nach der talentierteste YS-Spieler? Und wer ist der Boss auf dem Feld?

Für mich ist das Ali Kabacalman, unsere Nummer 10. Er hat grosse Qualitäten, verliert nie den Ball, steuert das Spiel aus dem Mittelfeld. Der Boss auf dem Feld ist unser Captain Mustafa Sejmenovic. Aktuell ist er verletzt, aber wenn er da ist, ist er unser Leader.

Was hast du für eine Beziehung zu eurem Trainer, Jean-Michel Aeby?

Wir haben eine gute Beziehung. Er ist ein cooler Coach, er spielt sehr offensiv. Er gibt uns viele Freiheiten im Spiel nach vorne.

Hat euer Trainer auch eine spezielle Rolle abseits des Spielfeldes?

Er ist ein Trainer, der seinen Spielern auch neben dem Fussball viel hilft. Er sorgt dafür, dass wir uns hier richtig wohl fühlen.

Gibt es einen Spieler, mit dem du eine besonders gute Beziehung pflegst?

Schwierige Frage! Ich verstehe mich mit vielen sehr gut. Unsere Mannschaft ist wie eine grosse Familie. Mit fünf Spielern habe ich vielleicht etwas mehr zu tun, Néhemie Lusuena, Norman Peyretti, Allan Eleouet, Hugo Fargues und Ali Kabacalman.

Hast du ein Idol?

Mein Lieblingsspieler ist Lionel Messi, aber er ist nicht mein Vorbild. Das wäre eher Adama Traoré von Wolverhampton Wanderers. Er hat einen sehr ähnlichen Spielstil wie ich.

Du hast deine Heimat Portugal im Alter von 17 Jahren verlassen. Welche Rolle spielt dein Heimatland für dich heute? Du bist ja eigentlich im Ausland erwachsen geworden.

Ich habe dort immer noch Familie und Freunde. Meine Eltern leben aber nicht mehr dort, ich gehe also nicht ständig hin. Nur ab und zu, um meine Freunde und mein Land wiederzusehen.

Deine zweite Heimat ist Guinea-Bissau. Welchen Bezug hast du zu diesem Land?

Ich bin seit meiner Ankunft in Portugal nie mehr zurückgegangen. Aber ich möchte bald einmal wieder hin.

Vielleicht wirst du ja eines Tages Nationalspieler von Guinea-Bissau. Ist das ein persönliches Ziel von dir?

Ja, selbstverständlich!

Gab es denn bereits einmal Kontakt zum Verband?

Nicht direkt. Aber es gab eine Kontaktaufnahme über meinen Agenten. Wir werden sehen. Sie kennen mich zumindest.

Du bist 23 Jahre alt und hast viele weitere Jahre in deiner Karriere vor dir. Was willst du noch erreichen?

Ich will immer das nächsthöhere Level erreichen. Mein Traum ist, eines Tages in England auf der höchsten Stufe zu spielen.

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