2. Bundesliga – Neues Eldorado für Schweizer Spieler?

Fernab des grossen Scheinwerferlichts tummeln sich derzeit zahlreiche Schweizer Profis in der zweithöchsten Spielklasse Deutschlands. Ein Blick auf die Schweizer Legionäre in der 2. Bundesliga.

Mit neun Legionären stellt die Schweiz eine beachtliche Anzahl an Spielern in der 2. Bundesliga – genau genommen die zweitgrösste Ausländergruppe nach den Österreichern. Wenn man den schweizerisch-kosovarischen Doppelbürger Betim Fazliji dazuzählt, erhöht sich diese Zahl gar noch. Mit Marc Schneider amtete bis vor kurzem zudem ein Schweizer Trainer in der 2. Bundesliga. Zu Saisonbeginn wagte auch Uli Forte den Schritt nach Deutschland, doch sein erstes Auslandsengagement bei Arminia Bielefeld fand schon nach fünf Pflichtspielen ein jähes Ende. Die Westfalen waren unter Forte miserabel gestartet und so zogen die Verantwortlichen aus Bielefeld schon rasch die Reissleine – zum Leidwesen des Schweizer Übungsleiters.

Auch der Start von Marc Schneider in Fürth verlief stotternd und befindet sich auf einem masslos enttäuschenden Abstiegsrang – die Trennung von Schneider kommt daher weniger überraschend. Etwas besser läuft es dem ein oder anderen Schweizer Spieler, der in diesem Sommer in die 2. Bundesliga gewechselt ist:

Seit Sommer 2022 neu in der 2. Bundesliga:

Kwadwo Duah (25): 1. FC Nürnberg

Der athletische Angreifer war in der vergangenen Super-League-Saison mit 15 Treffern Toptorschütze des FCSG und gleichzeitig auch ligaweit bester Schütze mit Schweizer Pass. Der Lohn: Im Frühling berief ihn Murat Yakin mit einem Aufgebot auf Abruf erstmals in den erweiterten Kreis der Schweizer Nati. Natürlich weckte Duahs tolle Entwicklung Begehrlichkeiten – am Ende entschloss er sich zu einem Wechsel zum 1. FC Nürnberg. Die Ablösesumme belief sich dabei auf einen hohen sechsstelligen Betrag. Der grossen Erwartungshaltung der Anhänger des „Clubs“ konnte Duah bislang gerecht werden: In einem ansonsten enttäuschenden Nürnberger Kollektiv (Platz 16, 10 Punkte) ist er mit 6 Scorerpunkten (4 Tore, 2 Vorlage) einer der wenigen Lichtblicke.

Dank seiner Schnelligkeit, Durchschlagskraft und Abschlussstärke wird sich Duah aller Voraussicht nach auch unter dem neuen Trainer Markus Weinzierl – der nun in die Fussstapfen des glücklosen Robert Klauss tritt – behaupten können. Wenige Angreifer in der 2. Bundesliga verfügen über so starke athletische Voraussetzungen wie der pfeilschnelle Berner. Kann er im weiteren Verlauf der Saison weiter für Eindruck sorgen, dürfte man ihn eher früher als später zurück in einer höchsten Liga sehen.

Simone Rapp (30): Karlsruher SC

Mit Simone Rapp wurde in diesem Sommer ein weiterer Schweizer Torjäger in die 2. Bundesliga gelockt. In der letzten Saison war er in der Challenge League mit 16 Toren die Lebensversicherung für den FC Vaduz. Von der zweiten Schweizer Spielklasse nach Deutschland zu wechseln, ist für einen 30-Jährigen definitiv ein bemerkenswerter Aufstieg. Beim Karlsruher SC erhielt Rapp einen Vertrag bis 2024 und dürfte nun weitaus mehr verdienen als zuvor. In der Sommervorbereitung konnte sich der Mittelstürmer direkt beweisen und traf zweimal in den Testspielen. Daraufhin wurde sein Lauf vor dem Saisonauftakt aber jäh von einer Nackenverletzung gestoppt.

Rapp musste operiert werden, konnte anschliessend aber rasch wieder ins Geschehen eingreifen. Seither kommt der erfahrene Neuner in der Meisterschaft auf 223 Spielminuten, wobei ihm je ein Tor und eine Vorlage glückten. Im DFB-Pokal gelang ihm in der 1. Runde gegen die unterklassige TSG Neustrelitz zudem ein Doppelpack. Kein schlechter Leistungsausweis, auch wenn er noch nicht über die Jokerrolle hinausgekommen ist. Mit seiner Wucht, seiner hierzulande berüchtigten Kopfballstärke und seinem Torriecher könnte Rapp auch in Karlsruhe langfristig Spuren hinterlassen.

Silvan Sidler (24): Arminia Bielefeld

Sidler wollte zusammen mit seinem Landsmann Uli Forte in Bielefeld die Mission Wiederaufstieg in Angriff nehmen. Nach einem knappen Drittel der Saison lässt sich aber bilanzieren: Das Vorhaben ging gründlich in die Hose. An der Seitenlinie steht nun der Deutsche Daniel Scherning und die Arminia rangiert auf dem letzten Tabellenplatz. Die persönliche Bilanz von Sidler sieht ebenfalls eher negativ aus: Bei seinem Debüt stand der Innerschweizer als rechter Aussenläufer zwar in der Startelf, allerdings handelte er sich direkt einen Platzverweis ein. In den folgenden Spielen rotierte Sidler zwischen Startelf, Einwechseloption und Ersatzmann.

Da seine Entwicklung beim FC Luzern in den letzten Jahren stagnierte, sollte der Wechsel nach Nordrhein-Westfalen der Karriere des Schweizer Cupsiegers von 2020/21 eigentlich wieder neuen Auftrieb verleihen. Davon ist beim ehemaligen U21-Internationalen momentan allerdings wenig zu spüren. Der neue Coach setzt voll auf eine Viererkette, doch als Nachfolger von Landsmann Cédric Brunner kann Sidler die grossen Fussstapfen noch nicht annähernd ausfüllen. Eine Torbeteiligung gelang ihm noch nicht und bezüglich seiner Fehleranfälligkeit und dem defensiven Stellungsspiel muss Sidler zwingend Fortschritte machen – ansonsten dürfte seine Zeit in Deutschland nur kurz bemessen sein.

Betim Fazliji (23): FC St.Pauli

Es ist einer der grössten Qualitätsbeweise, wenn der abgebende Klub den Spieler unbedingt halten will und überhaupt nicht glücklich mit dem Transfer ist. Ähnliches hörte man von den St. Galler Verantwortlichen, als sie über den Wechsel von Fazliji zum FC St. Pauli sprachen. Für knapp eine Million Schweizer Franken liess der FCSG den kosovarischen Nationalspieler in Richtung Hamburg ziehen. Die bisherige Zeit bei den Kiezkickern läuft aber noch nicht ganz nach dem Geschmack Fazlijis. Eine Startelf-Quote von 18% ist klar zu wenig für den ehrgeizigen 23-Jährigen. Dass Fazliji die Vorbereitung aufgrund des späten Wechselzeitpunktes nicht mitmachen konnte, ist für seine Akklimatisierung natürlich nicht ideal. Dazu kommt, dass St.Pauli einen eher mässigen Auftakt in die Spielzeit hinlegte und häufig einem Rückstand hinterherrennt, was bedeutet, dass Fazliji als defensive Option von der Bank selten gefragt ist.

Fazliji kann sich als flexibel einsetzbarer Alleskönner mit allen denkbaren Systemen und Spielsituationen arrangieren, doch genau diese Vielseitigkeit wird ihm aktuell auch etwas zum Verhängnis. Angesichts seines Potentials und seines Status als Nationalspieler wird sich Fazliji bei St.Pauli früher oder später zweifellos eine grössere Rolle erarbeiten. Sein emotionaler Charakter passt zudem sehr gut ins Millerntor, weswegen er auch bei den Fans schnell beliebt sein dürfte. Offen ist, wo er seine Ruhe am Ball, seine gute Übersicht und seine Zweikampfstärke in Zukunft zeigen wird – in der Innenverteidigung oder im Mittelfelfeld?

Kemal Ademi (26): SV Sandhausen

Zwischen 2019 und 2020 hatte Kemal Ademi bei Xamax und beim FC Basel mit 24 Toren die bis dato beste Phase seiner Karriere und stand gar im Dunstkreis der Nationalmannschaft. Danach folgte der Wechsel zum türkischen Grossklub Fenerbahce. In Istanbul konnte sich Ademi überhaupt nicht durchsetzen und spielte anschliessend – auch ohne grossen Erfolg – für Fatih Karagümrük, den FK Khimki und den SC Paderborn. In diesem August hat der SV Sandhausen den in Deutschland geborenen Angreifer von seinem russischen Stammverein Khimki für eine Saison ausgeliehen. Nach einer turbulenten Phase mit vielen Schwierigkeiten auf und neben dem Platz, will sich Ademi nun im beschaulichen Sandhausen wieder seinem Niveau von einst annähern.

Am 5. Spieltag kam Ademi zu einem dreiminütigen Teileinsatz, woraufhin ihn aber Knieprobleme für vier Spielen ausser Gefecht setzten. Nun ist er wieder fit und hofft darauf, bald eine Chance vom Trainer zu erhalten. Der 1,95m-Turm bringt alleine wegen seiner Postur eine äusserst spannende Komponente in seine Mannschaft ein. Grundsätzlich hat Ademi die Torjägerqualitäten, um in der 2. Bundesliga zu reüssieren. Beim familiären Klub aus Baden-Württemberg herrschen dabei optimale Gegebenheiten, um wieder in die Spur zu finden.

Die „alteingesessenen“ Schweizer in der 2. Bundesliga

Miro Muheim (24): Hamburger SV

Mit Miro Muheim steht ein weiterer ex-St.Galler in Hamburg unter Vertrag, allerdings beim grossen HSV. Der gebürtige Zürcher spielte schon letzte Saison leihweise bei den Rothosen. In diesem Sommer wurde er nach einer ansprechenden Debüt-Kampagne fest verpflichtet und mit einem Vertrag bis 2025 ausgestattet. Für den FCSG sprang dabei eine hübsche Ablösesumme heraus und für den dynamischen Linksverteidiger ist der fixe Transfer der verdiente Lohn für eine beachtliche Entwicklung. Obschon nicht als Stammspieler eingeplant, schwang sich Muheim im Verlauf der letzten Saison zu einem unentbehrlichen Bestandteil der Defensive auf. Er profitierte dabei von einer schweren Verletzung von Führungsspieler Tim Leibold. Dieser ist nun wieder fit, doch Muheim hat seine Chance gepackt und ihm mittlerweile gänzlich den Rang abgelaufen.

Der frühere Schweizer U21-Internationale kann in dieser Spielzeit eine Startelf-Quote von 80% vorweisen und gefällt mit Biss, Tempo und starkem Kombinationsspiel auf der linken Seite. Im Frühjahr verpasste man den Aufstieg in der Relegation, nun nimmt der HSV einen neuen Anlauf. Soll es in dieser Saison gelingen, so werden die Hamburger auf einen Muheim in Top-Verfassung zählen müssen. Schafft Muheim in naher Zukunft der Schritt in die 1. Bundesliga (mit oder ohne HSV), so wäre er definitiv bald ein ernsthafter Kandidat für die oft als „Problemzone“ beschriebene Linksverteidiger-Position in der Nati.

Jasper van der Werff (23): SC Paderborn

Der Innenverteidiger wechselte kurz nach seinem kometenhaften Durchbruch bei St.Gallen zum österreichischen Krösus aus Salzburg. Dort konnte sich van der Werff jedoch nie durchsetzen und wurde in der Folge zuerst an den FC Basel, dann an den SC Paderborn verliehen. Bei den Ostwestfalen konnte das einstige Top-Talent seine Karriere stabilisieren und gehört seit letzter Saison zum absoluten Stammpersonal des SCP. Aufgrund der starken Leistungen hat Paderborn ihre Nummer 4 für eine kleine Ablösesumme im Sommer fest unter Vertrag genommen. Auch in der aktuellen Spielzeit war van der Werff zu Beginn gesetzt, stand aber in den letzten fünf Partien aufgrund von Rückenproblemen nicht mehr auf dem Rasen.

Der vormalige U21-Nationalspieler zeichnete sich schon immer durch seine vorwärtsdenkende Spielweise und sein starkes Aufbauspiel aus. Diese Attribute passen grundsätzlich optimal zur mutigen Spielweise des SCP. Wichtig ist, dass der Ostschweizer seine Fehlerquote möglichst minimiert und im Defensivverhalten noch weitere Fortschritte macht. Die Paderborner sind dank einem optimal funktionierenden System auch in diesem Jahr wieder ein Geheimfavorit im Kampf um die vorderen Plätze. Kann sich van der Werff seinen Stammplatz zurückerobern und weiter an Konstanz gewinnen, werden alsbald grössere Vereine anklopfen.

Jan Elvedi (26): Jahn Regensburg

Fernab vom grossen Scheinwerferlicht ist Jan Elvedi seit seinem Wechsel zum SSV Jahn Regensburg im Sommer 2020 Stammspieler in der 2. Bundesliga. Damals fiel ihm der Sprung aus der Challenge League und dem kleinen SC Kriens erstaunlich leicht. Wie sein Bruder Nico ist auch Jan ein Innenverteidiger und begann seine Laufbahn ebenfalls im Nachwuchs des FC Zürich. In sämtlichen der bisherigen elf Saisonpartien stand der wuchtige Abwehrmann über die volle Distanz auf dem Platz. Elvedi geniesst das vollste Vertrauen seines Trainers Mersad Selimbegovic. Spielt er weiterhin einen soliden Part in der zentralen Verteidigung, dürfte sein fussballerischer Weg nicht im behaglichen Regensburg enden.

Ridge Munsy (33): Hansa Rostock

Dank seiner insgesamt sechs Profistationen und etlichen Treffern in der Heimat dürfte der Mittelstürmer vielen Schweizer Fussballfans bestens bekannt sein. Auch in der Türkei und in Deutschland schnürte Ridge Munsy bereits seine Fussballschuhe. Seit der letzten Spielzeit geht er für Hansa Rostock auf Torejagd. Mit 33 Jahren gehört er nicht mehr zu den jüngsten Spielern und wird meistens als Einwechseloption gebraucht. Mit seiner physischen Präsenz und seinem nach wie vor hohen Tempo kann der athletische Stürmer als Joker immer wieder für Gefahr sorgen. In der laufenden Saison resultieren allerdings erst 53 Spielminuten verteilt auf vier Partien und noch kein Treffer. Im nächsten Sommer läuft sein Vertrag aus – ob es dann zur Rückkehr in die Schweiz kommt?

Saulo Decarli (30): Eintracht Braunschweig

Der Tessiner kehrte in diesem Transferfenster zu seinem früheren Klub Eintracht Braunschweig zurück. Von 2014 bis 2017 absolvierte er bereits 80 Partien für den diesjährigen Aufsteiger. Der ehemalige U21-Internationale schaffte nie den ganz grossen Durchbruch zum A-Nationalspieler, doch Decarli spielte im Ausland durchaus auch bei namhaften Vereinen wie dem FC Brügge oder dem VfL Bochum. Zurück in Niedersachsen soll der erfahrene Innenverteidiger nun den Abwehrverbund zusammenhalten und mit gutem Beispiel vorangehen. Das Rüstzeug für diese Aufgabe hat der 1,88m lange Decarli definitiv. Der Mann aus Locarno stand in den ersten zwei Spielen in der Startformation, danach zog er sich allerdings eine Muskelverletzung zu und fällt seither aus. Die Braunschweiger werden froh sein, wenn Decarli im Kampf um den Klassenerhalt möglichst bald wieder mittun kann.

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