„Big Ced the Ted“ – Wie läuft es Cedric Itten bei den Rangers?

Anstatt dem erwartbaren Transfer in eine der Top 5-Ligen, entschied sich Cedric Itten nach seiner fabelhaften letzten Saison beim FCSG für den eher ungewöhnlichen Schritt nach Schottland. Hat sich der Wechsel bezahlt gemacht? Bolzplazz macht den Check.

Beim Gedanken an den 23. September 2018, einen Sonntagnachmittag, dürfte allen Anhängern des FC St. Gallen 1879 ein kalter Schweiss den Rücken runterlaufen. Lugano-Haudegen Fabio Daprelà streckte damals Cedric Itten mit einem absoluten Horror-Foul nahe der Strafraumgrenze nieder. Das niederschmetternde Ergebnis des Kung-Fu-Tritts: Riss des vorderen Kreuzbandes und des Innenbandes im rechten Knie und damit eine Ausfallzeit Ittens von ziemlich genau acht Monaten. Nach dieser langen Leidenszeit konnte der gebürtige Basler erst am letzten Spieltag der Saison 2018/2019 mit einem kurzen Einsatz gegen den FC Zürich sein Comeback feiern. Umso erstaunlicher schien es, dass Itten nach der Sommervorbereitung ohne jegliche Anlauf- oder Schonzeit sofort wieder absolut in Form war. Der Rechtsfuss war schon vor dem fatalen Tritt ein wichtiger Spieler der Espen, doch die Leistungen der Spielzeit 2019/2020 stellte das bisher Dagewesene nochmals deutlich in den Schatten.

© Rangers Football Club via Twitter

Verschont von weiteren körperlichen Beschwerden, machte Itten 34 Super League-Spiele und verbuchte dabei sensationelle 19 Tore und 6 Assists. Im Schnitt alle 105,4 Minuten war er direkt an einem Treffer des FCSG beteiligt. Zusammen mit Ermedin Demirovic bildete Itten den gefürchteten Doppelsturm, der elementar für die erste Vizemeisterschaft in der Vereinsgeschichte der Ostschweizer war. Im stets nach vorne ausgerichteten «Vollgas-Fussball» unter Peter Zeidler hatte der ehemalige Junior des FC Basel nicht nur die Torjäger-Rolle inne, sondern vielmehr überzeugte Itten auch in anderen Aspekten des Spiels. So zählte es zu seinen Aufgaben, Bälle als physisch starker Wandspieler festzumachen und auf die nachrückenden Mitspieler weiterzuleiten, Kopfballduelle in der Offensive und Defensive zu gewinnen, den Gegner als vorderstes Glied der Pressing-Maschinerie unter Druck zu setzen und aufopferungsvolle Laufarbeit zu leisten. All dies brachte die 1,89 m-Kante in die beste St. Galler Mannschaft der jüngeren Vergangenheit ein und entwickelte sich im Nu zu einem äusserst kompletten Angreifer. Die genannten Qualitäten blieben unter anderem auch im Vereinigten Königreich nicht verborgen und so mussten Matthias Hüppi und Alain Sutter den Topscorer letzten Sommer schweren Herzens ziehen lassen. Im St. Galler Umfeld war allen klar, dass Itten trotz des noch laufenden Arbeitspapiers den verdienten Schritt ins Ausland machen würde. Mit der eher ungewöhnlichen Destination Schottland hatte jedoch kaum jemand gerechnet. Für eine Ablösesumme von rund 3 Millionen Schweizer Franken sicherten sich die Glasgow Rangers die Dienste des Schweizers.

Ausgestattet mit einem Vertrag bis 2024 startete Itten seine neue Herausforderung auf der Insel mit seinem Pflichtspieldebüt gegen St. Mirren in der Scottish Premiership. Dieser erste Teileinsatz war wohl ein gewisses Omen für den Verlauf der Saison, denn der gebürtige Basler stand bislang nur in 13 % aller Ligapartien in der Startelf und absolvierte nur knapp einen Viertel der möglichen Spielminuten. Liest man diese dürftigen Zahlen, könnte man schnell zum Schluss kommen, dass der Transfer zum schottischen Traditionsverein ein Fehler war. Dem ist jedoch nicht so, denn trotz der eher bescheidenen Einsatzzeiten erlebte Itten bis dato auch positive Momente oder gar absolute Highlights bei den Rangers. Höhepunkte waren sicherlich seine zwei Treffer in der der Europa League: Beim Auswärtssieg gegen Lech Posen reüssierte er genauso wie im Rückspiel der Sechzehntelfinals gegen Royal Antwerpen. In der Liga glänzte Itten indes durch ein siegbringendes Tor nach Einwechslung gegen Motherwell FC oder zwei starke Auftritte im berühmt berüchtigten Stadtderby gegen Celtic Glasgow. Dass Trainer Steven Gerrard den 24-Jährigen regelmässig in den höchsten Tönen lobt und er bei den leidenschaftlichen Rangers-Anhängern – trotz fehlendem Publikum in den Stadien – schon ein Standing als eine Art Publikumsliebling erarbeitet hat, sind weitere sehr erfreuliche Umstände für Itten und dürften ihn auch für die Zukunft positiv stimmen.

In wettbewerbsübergreifenden 948 Minuten auf dem Rasen hatte der Ex-Espe bei 8 Treffern seine Füsse oder den Kopf im Spiel. Diese Werte zeigen, dass Itten – wenn er denn seine Chance erhält – durchaus zu überzeugen weiss. Gründe, warum sich der Schweizer Internationale in Schottland bislang nicht als gesetzte Stammkraft durchsetzen konnte, liegen auf der Hand: Zum einen sieht er sich im Angriff sehr starker Konkurrenz gegenüber, Premier League-Legende Jermaine Defoe, Kemar Roofe und allen voran der kolumbianische «Büffel» Alfredo Morelos befinden sich allesamt im Wettstreit mit Itten. Morelos dürfte ausserdem neben Celtics Odsonne Edouard das wohl heisseste Eisen der Scottish Premiership sein und steht demzufolge in der Stürmerhierarchie klar vor Itten. Zum anderen spielt die präferierte Formation von Gerrard dem gebürtigen Basler nicht sonderlich in die Karten. Die Ikone des FC Liverpool lässt zumeist in einer Variation des 4-3-3 spielen und verzichtet somit auf einen Doppelsturm analog zu Peter Zeidler beim FCSG. Dies schmälert natürlich die Einsatzmöglichkeiten von Cedric Itten zusätzlich und er muss gar vereinzelt auf den Flügel ausweichen. Doch diese Position ist weder die Paraderolle des Vollblutstürmers, noch sieht die Konkurrenzsituation auf den Aussen besser aus. Mit Joe Aribo und Ryan Kent verfügen die Rangers dort über zwei ganz interessante und fähige Akteure.

Betrachtet man die genannten Aspekte als Ganzes, kann man wohl von durchwachsenen ersten Monaten für Itten im Land des Dudelsacks sprechen. Doch auf die Zukunft gemünzt, könnte sich der Transfer nach Glasgow trotzdem noch voll und ganz auszahlen. Die Rangers befinden sind momentan in exzellenter Form und sind noch in allen Wettbewerben vertreten. In der Liga hat man noch keine Partie verloren und der erste Meistertitel nach neun Jahren grün-weisser Dominanz ist nur noch Formsache. Trotz coronabedingter Absenz der Fans, wird es für Itten sicherlich grandios sein, direkt in seiner ersten Spielzeit im Ausland den Meisterpokal in die Höhe zu stemmen. Ebenfalls bietet sich Itten damit auch nächste Saison die Möglichkeit, sich auf europäischem Parkett zu zeigen. Rosige Aussichten also für die Rangers und gute Chancen für Itten, sich weiter präsentieren zu können. Des Weiteren dürfte es Topstar Morelos im Sommer in eine der Top 5-Ligen ziehen und es wäre durchaus denkbar, dass Steven Gerrard dann fortan dem viermaligen Schweizer Nationalspieler das Vertrauen als Stürmer Nr. 1 schenkt. Denn von der Spielweise und von der Statur her passt Itten wie die Faust aufs Auge in die sehr hart geführte und physisch fordernde schottische Liga. Bleibt Itten verletzungsfrei, darf er sich auf noch viele künftige Höhepunkte auf der Insel freuen. Das Old Firm im Ibrox Stadium oder beim Rivalen im Celtic Park vor ausverkauften Rängen zählt da ganz sicher dazu. Und speziell in diesen Duellen kann «Big Ced The Ted», wie er liebevoll von den Rangers-Fans genannt wird, seinen Status als Publikumsliebling weiter abverdienen und sich so richtig in die Herzen der leidenschaftlichen Fans des schottischen Rekordmeisters schiessen. Die ganze Fussballschweiz (insbesondere die Ostschweiz) dürften dann voller Stolz nach Glasgow zum sympathischen und bodenständigen jungen Angreifer blicken. Und so einen unsterblichen Derbyhelden muss Vladimir Petkovic dann eigentlich auch zwingend wieder für die Nati aufbieten…

Ittens Tor vs Royal Antwerpen: https://www.glasgowtimes.co.uk/sport/19119441.borna-barisic-reveals-let-rangers-striker-cedric-itten-take-last-penalty-royal-antwerp-rout/

Auch die Bundesliga war hinter Itten her: https://www.fm1today.ch/sport/fcsg/hinter-cedric-itten-war-auch-die-bundesliga-her-138687743

Gerrard lobt Itten: https://www.srf.ch/sport/fussball/internationale-ligen/nati-spieler-dreht-auf-manager-gerrard-ueberhaeuft-itten-mit-lob

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