Ist nun der Moment? FC Schaffhausen im Höhenflug

Mit dem FC Schaffhausen mischt in dieser Saison ein Underdog kräftig im Kampf um die Aufstiegsplätze mit. Als erster Verfolger von GC stehen die Munotstädter in der Tabelle noch vor den vermeintlich zu favorisierenden Thunern. Was ist 2021 tatsächlich drin? Bolzplazz erklärt den Höhenflug des FCS und wagt einen Ausblick.

Im Gespräch mit Ronny Bien, Medienverantwortlicher des FC Schaffhausen, wurde schnell klar: Erfolg in der Challenge League zu haben ist schwer – hat man ihn dann aber dennoch über eine längere Phase, hat das nichts mit Zufall zu tun. Sondern mit guter Arbeit. Und gute Arbeit verrichtet der FC Schaffhausen schon in der gesamten Saison. Die traditionell enorm ausgeglichene Challenge League ist in dieser Spielzeit eine Dreiklassengesellschaft. Während sich der FC Chiasso, Neuchatel Xamax und der SC Kriens im Ringen um den Klassenerhalt balgen, erstreckt sich vom FC Wil, über den FC Winterthur, Stade-Lausanne-Ouchy bis zum FC Aarau ein Mittelfeld, das zwar in gewissen Phasen der Saison vom Barrage-Platz träumen durfte, die eigene Konstanz ihnen aber ein Bein stellt. Freilich, entschieden ist noch rein gar nichts. Doch um nochmals richtig in den Aufstiegskampf einzugreifen, muss gerade für Winti und Aarau sehr viel zusammenpassen. Schliesslich hat sich an der Spitze der Liga nach 21 gespielten Runden ein Trio festgesetzt, das die ersten zwei Plätze wohl unter sich ausmachen wird. Der FC Thun, der seit der Amtsübernahme von Carlos Bernegger in die Spur gefunden hat, und die Grasshoppers sehen sich aber in Gestalt der frechen Schaffhauser ernstzunehmender Konkurrenz gegenüber.

Von der Krise zum Höhenflug

Vor dem 22. Spieltag stellt der FC Schaffhausen mit 24 Gegentoren die zweitbeste Abwehr der Liga. Gleichzeitig hat man mit 38 erzielten Treffern auch die zweitstärkste Offensive der Challenge League. Der FCS ist extrem ausgeglichen und konstant – und dadurch sehr schwer zu schlagen. Aus 21 Partien stehen nur vier Niederlagen zu Buche, was zusammen mit GC der beste Wert der Liga ist. Schaut man sich an, wo die Schaffhauser vor einem Jahr standen, ist die aktuelle Entwicklung umso bewundernswerter. Die Saison 2019/20 schloss man auf dem vorletzten 9. Platz ab. Ein Abrutschen in die Drittklassigkeit konnte nur durch den noch schwächeren FC Chiasso und die Tatsache, dass die SFL entschied, die Corona-Challenge League-Saison ohne Absteiger zu Ende zu spielen, verhindert werden. Vor der Saison 2019/20 rumorte es gewaltig in der Munotstadt. Der Klub stand kurz vor dem Konkurs, der nur durch einen Besitzerwechsel zu Roland Klein abgewendet werden konnte. Nach dem Saisonende 2018/19 standen gerademal sechs Akteure mit laufenden Verträgen im Team. Notbehelfsmässig wurden Spieler verpflichtet, von denen nun nur noch eine Handvoll weiterhin in den Diensten des FCS steht. Murat Yakin übernahm das Ruder und sollte den Klub wieder in ruhigere Fahrwasser bringen. Seine erste Saison in Schaffhausen begann also unter denkbar schlechten Vorzeichen und verlief sportlich miserabel. Sechs Siege in 36 Liga-Partien konnten gefeiert werden, nur Chiasso gewann seltener. Doch Yakin blieb im Amt und zeigt nun, dass er mit dem FCS Erfolg haben kann. „Die Corona-Pause wurde gut genutzt“, erzählt Bien. „Viele Spieler, die nun entscheidend am Erfolg beteiligt sind, kamen bereits während der Corona-Unterbrechung in Probetrainings und konnten dadurch in der neuen Saison sofort weiterhelfen.“

© FC Schaffhausen

Gründe für den Erfolg: Die Transfers

Mit 8 Saisontreffern war Helios Sessolo (26, mittlerweile SC Kriens) der beste Schütze des FCS 2019/20. Aktuell stehen mit Ivan Prtajin (24) und Rodrigo Pollero (24) gleich zwei (!) Schaffhauser an der Spitze der diesjährigen Challenge League-Torschützenliste: Nach 21 Spieltagen haben zusammen bereits 20 Mal getroffen. Beide wurden im letzten Sommer verpflichtet und haben sich als überragende Zuzüge entpuppt. Das Gleiche gilt für Francisco Rodriguez (25): Der wirblige Aussenbahnspieler hat seine Leichtigkeit wieder gefunden und kommt ebenfalls bereits auf 10 Scorerpunkte (7 Assists, 3 Tore). Durch Goalie David Da Costa (34) und Innenverteidiger André Neitzke (34) konnte zudem im Sommer 2020 eine geballte Ladung an wertvoller Erfahrung nach Schaffhausen geholt werden. Weitere Ergänzungen wie Sangoné Sarr (28), Valon Hamdiu (22), Guillermo Padula (23), Emiliano Mozzone (22), Franck Djoulou (22) und Leihrückkehrer Drilon Kastrati (19) sorgen für eine hohe Qualitätsdecke, die in diesem Winter durch Axel Müller (24) und Yassin Maouche (23) sogar noch weiter vergrössert werden konnte. Bemerkenswert: Beim FC Schaffhausen hat sich eine Uruguay-Connection ergeben: Mit Rodrigo Pollero, Guillermo Padula, Emiliano Mozzone und Axel Müller stehen gleich vier „Urus“ beim FCS unter Vertrag. Herausragende Transfers, die dem FC Schaffhausen eine Kaderbreite geben, wie sie in der Challenge League nur GC und mit Abstrichen vielleicht Aarau, Thun und SLO haben, stehen am Anfang der aktuellen Erfolgssaison.

Gründe für den Erfolg: Das System

Murat Yakin setzt 2020/21 auf eine 4-4-2 Grundformation mit Mittelfeld-Diamant. Die Doppelspitze bilden die beiden Ballermänner Rodrigo Pollero und Ivan Prtajin. Beide sind grossgewachsen, physisch stark und herausragend im Kopfballduell. Während Prtajin der technisch beschlagenere Spieler ist, überzeugt Pollero vor allem durch seine Präsenz und Wucht in der Box. Die beiden Knipser ergänzen sich exzellent und dürfen sich zu Recht gefährlichster Sturm der Challenge League nennen. Hinter den Spitzen agiert mit Uran Bislimi (21) der nächste hochspannende Spieler. Der kosovarische U21-Nationalspieler gefällt durch Übersicht und kluge Schnittstellenpässe. Links und rechts von Bislimi wirbeln die dynamischen Danilo Del Toro (23) und Francisco Rodriguez, die für extrem viel Schwung nach vorne sorgen. Für die defensive Absicherung sorgt entweder Captain Imran Bunjaku (28), Sangoné Sarr, Valon Hamdiu oder Drilon Kastrati, der ein wertvolles Lehrjahr im Nachwuchs des SC Freiburg absolvierte. Die Abwehr besteht aus André Neitzke, der mit seinen langen Bällen die Spitzen füttert, und dem ehemaligen schwedischen U-Nationalspieler Mirza Mujcic (26). Letzterer stiess im Winter 2020 zum FCS und schiesst die Penaltys, sämtliche fünf hat er in dieser Saison verwertet. Auf den defensiven Aussenpositionen laufen mit Bujar Lika (28), Jetmir Krasniqi (26) oder Axel Müller weitere überdurchschnittliche Challenge League-Spieler auf. Im Tor hat sich Routinier Da Costa gegen Toptalent Amir Saipi (20) durchgesetzt und verleiht der Defensive merklich Stabilität. „Wir haben eine Truppe ballverliebter Jungs“, charakterisiert Bien das Schauffhauser Ensemble. In der Tat: Der FCS verfügt über technisch herausragende Fussballer, die mit Power und Speed durch die Challenge League pflügen. Yakins Spielidee ist indes etwas schwerer zu entschlüsseln: Als eine Mischung aus Ballbesitz- und intensivem Pressingfussball beschreibt der FCS-Medienchef die installierte Spielweise. Liegt man in Führung, werde gerne in einen pragmatischeren Ansatz gewechselt und man operiere dann gerne mit langen Bällen auf die grossgewachsenen Spitzen oder lauere auf zweite Bälle. Das System hat Erfolg: Für die Gegner schwer auszurechnen und mit viel Lust auf Fussball, glänzt der FC Schaffhausen 2020/21 und überragt die Konkurrenz.

Was liegt drin für den FC Schaffhausen?

„Wir haben eine tolle und lockere Atmosphäre in der Mannschaft. Es wird viel gelacht und gescherzt, der Teamspirit und die Moral ist sehr stark“, führt Bien weiter aus. Eine Mischung aus erfahrenen und gestandenen Spielern, qualitativ hochwertigen Neuzugängen sowie energetischen Talenten aus dem eigenen Nachwuchs wie Danilo Del Toro oder Veljko Vukasinovic (19), verpassen dem FC Schaffhausen einen attraktiven Anstrich und sorgen für eine gesunde Mannschaftszusammensetzung. In kurzer Zeit ist unter Murat Yakin etwas organisch zusammengewachsen und der Klub scheint im Vergleich zu anderen Challenge League-Stammgästen wie Winterthur, Wil oder Aarau gefestigter. Was liegt also in dieser Saison wirklich drin für den FCS? „Unser Vorteil ist, dass wir aufsteigen dürfen. Wir haben Zeit und spielen daher unbeschwert und befreit auf“, sagt Bien. Im Vergleich zu GC und Thun hat Schaffhausen keinerlei Druck, in die Super League aufzusteigen. Finanziell steht man solide da, man hat ein tolles neues Stadion und einen ganzen Kanton hinter sich. Die Qualität der Mannschaft ist wohl so gross wie noch nie seit dem Wiederaufstieg in die Challenge League 2013. Resultate wie jüngst das 4:0 gegen den FC Thun sind keine Ausreisser nach oben, sondern Früchte guter Arbeit. 2007 war der FC Schaffhausen zuletzt in der Super League unterwegs. Ist 2021 nun die Zeit für die Rückkehr gekommen? So gross wie jetzt war die Wahrscheinlichkeit wohl noch nie, gerade angesichts der strauchelnden Konkurrenz aus Zürich und dem Berner Oberland.

Ein Aufstieg wäre kein Zufall, sondern der verdiente Lohn einer tollen Saison.

Pollero & Prtajin sorgen für Furore: https://www.bluewin.ch/de/sport/fussball-schweiz/kroatisch-uruguayisches-stuermer-duo-sorgt-in-schaffhausen-fuer-furore-591375.html

Maouche zum FCS: https://www.shn.ch/sport/fussball/2021-02-16/yassin-maouche-wechselt-per-sofort-zum-fc-schaffhausen

Rodriguez-Brüder verstärken FCS: https://www.shn.ch/sport/fussball/2020-09-09/rodriguez-brueder-verstaerken-den-fc-schaffhausen

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