Dereck Kutesa: „Ich weiss, dass ich das Potential habe, für die Schweiz zu spielen“

Gastbeitrag von Dylan OppligerAusgebildet bei Servette, läuft Dereck Kutesa aktuell für Stade de Reims auf. Doch die zweite Saison im Grande Est ist für den 23-jährigen Schweizer Flügelspieler kompliziert.

Nach Stationen beim FC Basel, Luzern und St. Gallen entschied sich der gebürtige Genfer im Sommer 2019 für den nächsten Schritt in seiner Karriere und schloss sich Stade Reims in der Ligue 1 an. Seine erste Saison in Frankreich darf als „Anpassungsphase“ bezeichnet werden, schliesslich kam er in allen Wettbewerben auf gerademal 16 Einsätze. In seinem zweiten Jahr hat sich die Situation etwas verändert, aber die Spielzeit, die ihm Coach David Guion zugesteht, bleibt mit 6 Startelfnominationen und gesamthaft 633 Spielminuten in der Liga nach wie vor gering.

„Der Wechsel von der Schweiz nach Frankreich war zu Beginn sehr schwer“

Wie wir alle wissen, ist es für junge Spieler oft schwierig nach einem Wechsel aus der Super League in eine der grossen europäischen Ligen den Tritt zu finden. Erst recht, wenn es sich dabei nicht um die Bundesliga handelt, wie das prominente Beispiel Andi Zeqiri einmal mehr aufzeigt. Das Spielniveau und die Infrastrukturen sind im Ausland natürlich ganz andere. Dereck war von der Stärke der Umstellung sehr überrascht, wie er selber sagt:

„Ich sage nicht, dass die Schweiz weit zurückliegt, aber die Unterschiede in der Infrastruktur und sogar in der Intensität der Trainingseinheiten waren offensichtlich (…) Der Wechsel von der Schweiz nach Frankreich war zu Beginn sehr schwer Das Talent in Frankreich ist unglaublich, Spieler aus der 3. Liga haben das individuelle Niveau, um in der Ligue 2 oder sogar der Ligue 1 zu bestehen.“

Keine Reue und eine Lust, sich zu beweisen

Auch wenn die Spielzeit des Genfers nicht auf ihrem Höhepunkt ist, bereut er seinen Wechsel nicht. Sein Glaube bestärkt ihn, dass er nicht umsonst nach Frankreich gewechselt ist:

„Wenn man in einer Phase ist, in der es einem schlecht geht, kann man seine Entscheidungen bereuen, weil man an all die negativen Dinge denkt. Aber rückblickend bereue ich überhaupt nichts. Ich bin davon überzeugt, dass Gott weiss, weshalb er mich dorthin gebracht hat, wo ich heute bin. Ich habe mich hier als Fussballer, aber auch als Mensch verändern können.“

Der Karriereweg des ehemaligen Servettiens war nicht immer einfach, ganz im Gegenteil zum Etikett, dass ihm immer wieder verpasst wird:

„Leute, die mich nur entfernt kennen, sehen mich als ‚Dereck, der talentierte Kerl, der Typ, dem immer alles gelingt‘, aber ich habe einige harte Zeiten erlebt, in denen ich zeitweise aufgeben wollte. Ich musste kämpfen, um an diesen Punkt zu gelangen.“

Der 23-Jährige zeigt mit seinen Worten, dass das Leben als Fussballer trotz grossem Talent nicht immer einfach ist, vor allem wenn er über seine Leihstationen während seiner Zeit in Basel spricht. Sein Weg, seine Überzeugungen und die Person, die er geworden ist, verleihen ihm das Bedürfnis, sich jeden Tag noch mehr zu beweisen und haben ihn auf das Niveau gebracht, auf dem er heute ist.

Ein besonderes Spiel als Anlass zur Rückkehr in die Heimatstadt

Am 13. August 2020 spielte Stade de Reims nach langer Zeit wieder in Europa, in der 2. Qualifikationsrunde der Europa League ging es gegen Servette. Es ist unmöglich, ein Interview mit dem ehemaligen Grenat zu halten, ohne auf dieses denkwürdige Spiel einzugehen, das die Mannschaft von Reims mit 0:1 gewann und in dem er in der Startelf stand. Für Kutesa war es eine Rückkehr voller Emotionen und Nostalgie:

„Es ist wirklich schade, dass das Spiel hinter verschlossenen Türen stattfand, ich hätte die Zuschauer gerne wiedergesehen (…) Ein paar Tage vor dem Spiel fühlte es sich extrem komisch an, mit einem anderen Verein in La Praille zu trainieren.“

Aber Herz ist nicht alles, auch wenn man gegen seinen Heimatverein spielt:

„Ich wollte das Spiel auf keinen Fall verlieren, und doch hätte ich Servette die Qualifikation gegönnt. Leider jedoch sind sie unsunterlegen.“

Bezüglich Nationalmannschaft ist das Ziel klar

Die Leistungen des Flügelspielers in seiner Jugend und zu Beginn seiner Profilaufbahn haben ihn zum Schweizer Nationalspieler werden lassen. Seit der U15 durchlief er alle Stufen. Dereck spielte auch unter Mauro Lustrinelli für die U21, allerdings nur drei Mal. Angesichts seines Geburtsjahrs (1997) hat er seit zwei Jahren nicht mehr für eine Schweizer Auswahl gespielt. Noch wartet er auf eine Nomination für die A-Nati.

Die Karriere eines jungen Fussballers ist ohnehin voller Dilemmata, die aber noch stärker sind, wenn der Spieler über zwei Nationalitäten verfügt und bereits für die Jugendauswahlen eines seiner beiden Länder gespielt hat. Sich für sein Herkunftsland entscheiden, in Dereck Kutesas Fall Angola, oder auf eine Berufung für das Land warten, in dem man aufgewachsen ist? Es ist ein Abwägen zwischen womöglich mehr internationalem Erfolg und dem Risiko, vielleicht gar nie für eine Nationalmannschaft aufzulaufen. Für den trickreichen Offensivmann steht es aber nicht zur Debatte, welche Nation er vertreten will:

„Ich habe schon über Angola nachgedacht, aber ich will die Schweiz auf dem Rasen vertreten.“

Kutesa ist sich sicher, irgendwann einmal unter Vladimir Petkovic auflaufen zu können:

„Ich weiss, dass ich das Potential habe, eines Tages für die Schweiz zu spielen, und ich denke, dass dieses Ziel in Reichweite ist.“

Auch wenn Kutesas Situation aktuell alles andere als einfach ist, bezüglich einem kann man sich sicher sein: Der Genfer wird sich durchbeissen und beweisen, wie er es schon immer getan hat.

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