In der Serie „Next Generation“ wirft Bolzplazz einen Blick auf die Nachwuchsakademien der Super-League-Klubs und stellt die besten Talente des Landes vor. Teil 7: FC Winterthur. Wer sind die talentiertesten jungen Spieler aus der Eulachstadt?
Der FC Winterthur war im Kanton Zürich schon immer die dritte Kraft hinter dem FCZ und GC. Sportliche Höhenflüge gab es in der Vereinshistorie nur wenige. Der Stellenwert des Klubs bemisst sich daher nicht in Anzahl gewonnener Titel, sondern in anderen Faktoren: Werttreue (Weltoffenheit, Fairness), Fannähe und Identifikationsstiftung. Der FCW ist ein lebendiger Verein mit einer grossen, fussballromantischen Fanbase und bildet damit einen erfrischenden Gegenpol zur sterilen und durchkommerzialisierten modernen Fussballwelt.
Der FCW hat in den vergangenen Jahrzehnten sportlich nur für wenige Schlagzeilen gesorgt. Die Flagge des Vereins und der Stadt wurde auf den grösstmöglichen Fussballbühnen dennoch hochgehalten – und zwar von zahlreichen früheren Winti-Junioren, die aus dem Nachwuchs des FCW heraus eine grosse Karriere gestartet haben. Manuel Akanji, Admir Mehmedi, Remo Freuler, Steven Zuber, Fabian Frei, Pajtim Kasami, Luca Zuffi und Amir Abrashi haben in jungen Jahren allesamt einst das rotweisse Trikot getragen. Eine mehr als beachtliche Bilanz an Absolventen für einen Verein, der den Grossteil der letzten 40 Jahre abseits der höchsten Schweizer Spielklasse verbracht hat.
Dass in Winterthur perspektivisch aber auch sportlich einiges möglich ist, hat der Aufstieg im letzten Jahr und der aufopferungsvoll erkämpfte Klassenerhalt in der abgelaufenen Saison bewiesen. Langfristig könnte auf der Schützenwiese etwas entstehen. Dabei dürfte der ein oder andere Nachwuchsspieler eine entscheidende Rolle spielen.
Carmine Chiappetta (2003)
Der Name Carmine Chiappetta schwirrt seit Jahren im Schweizer Talent-Kosmos herum. Den grossen Durchbruch auf höchster Stufe ist ihm aber noch nicht gelungen. Seit eineinhalb Jahren spielt der junge Flügelstürmer aus Wetzikon nun schon für den FC Winterthur, davor war er im Nachwuchs des FC Basel und des FC Schaffhausen aktiv. Für den FCB debütierte er 2020 unter Ciriaco Sforza bereits in der Super League, in der abgelaufenen Saison kamen für Winti sechs weitere Einsätze in der höchsten Spielklasse hinzu. In der kommenden Spielzeit soll Chiappetta nun den nächsten Schritt machen und eine echte Rolle in der 1. Mannschaft einnehmen. Dass er das Potential dazu hat, steht ausser Frage.
Der junge Aussenbahnspieler bringt hohes Tempo und eine grosse technische Begabung mit. Chiappetta strotzt nur so vor Spielfreude und sorgt auf dem Flügel mit seinen Rushes für viel Unberechenbarkeit. Er geht gerne in vollem Speed ins Dribbling und bindet seinen Gegnern mit frechen Finten und schnellen Richtungsänderungen Knoten in die Beine. Mit seinem furchtlosen, erfrischenden Spielstil ist er gerade als Joker für Winterthur eine interessante Option. Kann Chiappetta aus seinem unbestreitbaren Talent noch mehr herausholen und seine im Ansatz oft tollen Aktionen in Tore und Vorlagen ummünzen, wird der Schweizer U20-Nationalspieler eine gute Karriere hinlegen und auf der Schützenwiese für viel Spektakel sorgen.
Noe Holenstein (2004)
Noe Holenstein hat einen beispiellosen Aufstieg hinter sich: Im letzten Sommer wurde das FCW-Eigengewächs aus der U18 in die U21 befördert. Im Winter durfte er bereits mit den Profis mit ins Trainingslager – und zählte in der Rückrunde dann zum fixen Super-League-Kader. Holenstein war aber kein Zaungast, sondern nahm auf dem Weg zum direkten Klassenerhalt eine wichtige Rolle ein: In seinem erst dritten Einsatz in der 1. Mannschaft erzielte der junge Mittelfeldspieler ein absolutes Traumtor gegen den FC St.Gallen – und sicherte dem FCW damit drei wichtige Punkte, die in der Endabrechnung Gold wert waren. Insgesamt kam Holenstein in der Rückrunde zu acht Einsätzen im „Eins“. In der neuen Saison soll dem 19-Jährigen eine noch grössere Rolle zufallen.
Holenstein ist im zentralen Mittelfeld als mobiler Achter zuhause. Insbesondere zeichnet sich der Linksfuss durch feine Technik und gutes Passspiel aus. Dazu bewegt er sich sehr flink, ist schnell im Kopf und diszipliniert gegen den Ball. In seinen ersten Einsätzen in der Super League erstaunten ausserdem seine Abgeklärtheit und Reife. Holensteins Entwicklung ist freilich noch lange nicht am Ende angelangt. Das Paket, das er aber bereits jetzt mitbringt, verspricht sehr viel. Kann er sich in der kommenden Spielzeit einen Platz im erweiterten Stamm erobern, wird sein Name bald schon in der ganzen Fussballschweiz bekannt sein.
Laurin Vögele (2004)
Mit Laurin Vögele feierte in der abgelaufenen Spielzeit nach Holenstein noch ein zweites Talent aus der FCW-Jugend sein Debüt in der Super League. Zwei Einsätze verzeichnete der junge Angreifer im Endspurt der Saison. Mit tollen Leistungen in Wintis U21 in der 1. Liga Classic hatte sich Vögele für die 1. Mannschaft aufgedrängt. Im Winter durfte er mit den Profis bereits mit ins Trainingslager – einige Monate später stand er dann auf der Schützenwiese und im Wankdorf auf dem Rasen. Mit 12 Toren schwang er sich in seiner ersten Saison in der 1. Liga sogleich zum besten Torschützen der Winterthurer U21-Mannschaft auf. Schon in den beiden Jahren zuvor errang Vögele mit je 18 Toren zweimal die interne Topscorer-Krone in der U18. Er weiss also ganz genau, wo das Tor steht.
Vögele ist in der Offensive polyvalent einsetzbar. Dank seiner hohen Intensität und seiner Energie kommt er auf dem Flügel gut zur Geltung, kann dank seinen Fähigkeiten im Abschluss und seinem Laufverhalten aber auch problemlos in der Spitze eingesetzt werden. In der kommenden Saison dürfte Vögele vorerst weiterhin zwischen der U21 und der 1. Mannschaft pendeln, jedoch mit klaren Perspektiven in Richtung Super League. Der 18-Jährige hat bis jetzt in jeder Altersstufe sofort funktioniert und stets seine Tore erzielt – gut vorstellbar, dass er in den kommenden Monaten auch in der höchsten Schweizer Spielklasse erste Fussabdrücke hinterlässt.
Diego Gaetano (2006)
Diego Gaetano (rechts im Bild) ist zwar noch ein gutes Stück weit entfernt von ersten Einsätzen im Profifussball – das Talent um es dorthin zu schaffen, hat er aber allemal. Der offensive Mittelfeldspieler gehörte in der abgelaufenen Saison zu den Leistungsträgern der U18-Mannschaft und war mit 9 Treffern ein wichtiger Faktor im Erreichen des tollen 6. Schlussranges. Als Lohn für seine gute Entwicklung darf der 17-Jährige in der Sommervorbereitung erste Gehversuche in der U21 unternehmen, dürfte die neue Saison aber als Stammspieler der neu gegründeten U19 beginnen.
Gaetano ist im offensiven Mittelfeld variabel einsetzbar, kann mit technischer Klasse, Spielwitz und viel Flair Löcher reissen, Chancen kreieren und Gegenspieler vernaschen. Körperlich muss der Teenager allerdings noch zulegen und widerstandsfähiger werden. Seine Anmut und grazile Spielweise fallen auf und heben ihn hervor. Macht er den nächsten physischen Entwicklungsschritt, können die Fans des FC Winterthur vielleicht schon bald ein aufregendes Offensivtalent auf der Schützenwiese bestaunen.
Dion Cakolli (2007)
Dion Cakolli wird seit geraumer Zeit zu den vielversprechendsten jungen Angreifern seines Jahrgangs gezählt. Der Schweizer U16-Nationalspieler ist auch dem SFV bestens bekannt. Der Verband hält grosse Stücke auf den jungen Stürmer, der das Vertrauen in allen Alterskategorien mit Toren zurückzahlen konnte. Beim FC Winterthur steht Cakolli ebenfalls weit oben auf der Liste. Im Winter wurde er in die U18 hochgezogen, nachdem er zuvor ein halbes Jahr im FCB-Nachwuchs verbracht hatte, nach wenigen Monaten aber wieder zu seinem Jugendverein zurückkehren wollte. In der Schlussphase der zurückliegenden Saison nahm Cakolli in Wintis U18 dann eine grosse Rolle ein und traf in den Playouts in drei Spielen zweimal. In der neuen Saison dürfte er zwischen U17 und U19 pendeln, bei guten Leistungen aber vielleicht sogar bereits in der 1. Liga bei der U21 reinschnuppern.
Cakollis Profil ist sehr interessant. Der 16-Jährige ist für sein Alter körperlich schon sehr weit. Er ist gross, robust gebaut, sprungkräftig und durchsetzungsstark. Dazu ist er mobil und trotz seiner physischen Wucht relativ dynamisch. Weitere Stärken Cakollis sind seine guten technischen Fertigkeiten, beidfüssige Abschlussstärke, clevere Laufwege und Qualitäten als mitspielender Stürmer. Er kann Bälle als Zielspieler festmachen und weiterleiten, was für seine Mannschaft ein wichtiges spielerisches Mittel sein kann. Cakolli ist aber noch weit davon entfernt, ein fertiger Spieler zu sein. Der Weg in den Profifussball ist noch lange nicht erreicht. Gerade in puncto Aggressivität und Explosivität hat der junge Stürmer noch Luft nach oben. Dennoch steht fest: Cakollis Potential ist gross. Kann er es abrufen, dürfen sich Winti und der SFV über echtes Sturmjuwel freuen.
Weitere spannende Spieler:
Loïc Lüthi (2003): Physisch starker Innenverteidiger mit fussballerischen Qualitäten. Nach einem Leihjahr beim SC Kriens zurück in Winterthur – und eine ernsthafte Option für die 1. Mannschaft.
Anthony Susnja (2004): Technisch versierter zentraler Mittelfeldspieler. Wechselte jüngst aus Kroatien in den FCW-Nachwuchs. Flair, Übersicht, Dribbelstärke – soll nun in der U21 Fuss fassen.
Julius Holder (2005): Schweizer U18-Nationalspieler. Variabel einsetzbar in der Offensive, kann auf dem Flügel wie auch in der Spitze agieren. Körperlich stark, laufstark, diszipliniert, agil – ein weiteres FCW-Talent das via U21 vielleicht schon bald Profi-Luft schnuppern könnte.
Thibault Citherlet (2005): Abgeklärter Innenverteidiger mit physischen Vorzügen und spielerischen Fähigkeiten. Wird sich in der neuen Saison ebenfalls in der U21 zeigen können und von den Sprung in die 1. Mannschaft anpeilen.
Muqtar Ahmed (2005): Variabel einsetzbar im offensiven Mittelfeld. Athletisch, spritzig, bissig. Leistungsträger in der U18 in der abgelaufenen Saison, ebenfalls Teil der U21-Gruppe für die kommende Spielzeit.
Kephren Nsang (2006): Athletischer Mittelfeldspieler mit Dynamik und Übersicht. Box-to-Box-Profil, kann auch Torgefahr erzeugen. Leistungsträger in der U18.
Edijon Ejupi (2006): Vom SFV ins Footuro-Programm für besonders talentierte Spieler gewählt worden. Technisch überragend, enorm spielfreudig, torgefährlich – ein Spektakelspieler. Hätte fussballerisch alles, um es zu schaffen. Grosses Fragezeichen aber hinter den physischen Voraussetzungen. Doch wo ein Wille ist, ist (meist) auch ein Weg.