Silvan Hefti und Genua – passt das?

Der Transfer ist fix: YB-Rechtsverteidiger Silvan Hefti (24) wechselt erstmals ins Ausland. Sein neuer Verein: Genua in der Serie A. Sein neuer Trainer: Die ukrainische Legende Andriy Shevchenko. Was kommt auf ihn zu und kann das passen?

Was in den Tagen zuvor bereits durchgesickert ist, wurde nun offiziell gemacht: Silvan Hefti wechselt nach Genua. Über Ablösemodalitäten und Vertragsdetails wurde Stillschweigen vereinbart, will man Medienberichten aus Italien glauben schenken, überwiesen die Genuesen aber zwischen 3 und 5 Millionen Euro in die Bundeshauptstadt. Ein schöner Deal für die Young Boys und Sportchef Christoph Spycher, der Hefti im Sommer 2020 für knapp 1,5 Millionen aus St. Gallen zum Schweizer Meister gelotst hat.

Nach knapp eineinhalb Jahren und 72 Pflichtspielen für Gelb-Schwarz erfüllt sich der Ostschweizer also den lange gehegten Wunsch eines Transfers in eine grosse europäische Liga. Beim Wechselentscheid eine Rolle gespielt haben dürfte auch die Tatsache, dass sich Hefti mit dem Status eines Serie-A-Profis wohl grössere Chancen auf ein Nati-Aufgebot ausrechnet. Die Schweizer Nationalmannschaft ist schon seit geraumer Zeit sein erklärtes Ziel, bis dato standen ihm aber mit Kevin Mbabu (Wolfsburg), Silvan Widmer (Mainz) oder Jordan Lotomba (Nizza) andere Spieler vor der Sonne. Kann er sich in Italien durchsetzen, dürfte der Anruf Yakins tatsächlich nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Solide Zeit in Bern – bereit für eine neue Herausforderung?

Anders als etwa Vor-Vorgänger Kevin Mbabu, war Hefti fürs Berner Kollektiv ein weitaus weniger prägender Spieler auf der rechten Defensivseite. Einerseits liegt das daran, dass er nur 16 Monate für die Young Boys auflief, andererseits auch daran, dass er gerade offensiv weniger Akzente setzen konnte, als man es von ihm hätte erwarten dürfen. Unter David Wagner hat Hefti in seinem Offensivspiel zwar nochmals einen Schritt nach vorne gemacht, die Bilanz von 2 Toren und 5 Vorlagen in fast eineinhalb Jahren ist aber dennoch mager. Gerade angesichts der Tatsache, dass YB seit der Ära Hütter mit hochstehenden, offensiv sehr aktiven Aussenverteidigern spielt.

Die nackten Zahlen erzählen aber nicht die ganze Wahrheit. Im Bereich Assists hätte Hefti während seiner Zeit in Bern eigentlich gemäss Statistik besser abschneiden sollen: 8 Expected Assists stehen 5 realisierten gegenüber. Das bedeutet, dass die Torchancen, die er kreiert hat, in ihrer Qualität besser waren, als das, was daraus gemacht wurde. Oder mit anderen Worten: Die YB-Stürmer haben zu oft gesündigt und Heftis gute Vorarbeit weniger oft veredelt, als man es hätte erwarten dürfen. Auch weitere Statistiken sprechen für den 24-Jährigen: In dieser Hinrunde war er der beste Flankengeber der Schweiz, 60% seiner Hereingaben fanden den Mitspieler – Ligabestwert. Auch in Sachen „Schlüsselpässe“ schwingt Hefti oben aus: Im Schnitt spielte er in der Super League 1.12 sog. „Key Passes“ pro Partie, was ihn auf den 4. Rang bringt. Ebenfalls exzellent ist sein Eins-gegen-Eins: Wettbewerbsübergreifend hatte er in dieser laufenden Saison mit starken 61.5% seiner Dribblings Erfolg.

Tatsächlich zeichnen diese Statistiken ein ziemlich gutes Bild von Heftis Stärken. Der 1,82m grosse Aussenverteidiger ist in der gegnerischen Hälfte sehr präsent, agiert druckvoll und gefällt als Architekt von Torchancen, sei es durch starke Zuspiele in die Spitzen oder punktgenaue Flanken. Dank seinen guten Dribblings ist er zudem im Stande, Lücken in die Abwehr zu reissen und so Räume zu schaffen. Zwei weitere Qualitäten des gebürtigen Rorschachers sind einerseits seine Physis, andererseits sein Tempo. Defensiv gefällt er mit Tacklings und Zweikampfhärte, Stellungsfehler kann er mit seinem Speed ausgleichen. Heftis Anlagen sind unbestritten gut. Die Zeit in Bern hat ihn taktisch und mental weitergebracht, gerade die Erfahrungen in der Europa League und in der Champions League – wo ihm in diesem Herbst gegen Atalanta ein Traumtor gelang – sind Gold wert. Dass er nun ins Ausland wechselt, ist nur folgerichtig.

Hefti in seinem 1. Training in den neuen Farben

Neues Abenteuer bei Krisenklub Genua

Heftis neuer Arbeitgeber Genua befindet sich in einer schwierigen Situation. Eine schwere sportliche Krise hat den stolzen Traditionsverein in dieser Saison auf einen Abstiegsplatz gespült. Nach 19 Partien stehen die „Rossoblu“ mit einem Torverhältnis von -18 und 11 Punkten auf dem 18. Rang. In der zweiten Saisonhälfte muss es nun aufwärtsgehen, wenn der erste sportliche Abstieg seit 1995 noch verhindert werden soll. Um das zu schaffen, wurde vor wenigen Wochen der ehemalige ukrainische Superstar Andriy Shevchenko als Cheftrainer verpflichtet. Der frühere AC-Milan-Stürmer hat zuletzt beachtliche Erfolge als Nationaltrainer der Ukraine gefeiert. Ebenfalls neu an Bord ist der deutsche Sportchef Johannes Spors. Der ehemalige RB-Leipzig-Scout ist Mitte Dezember mit der Kaderplanung für den Klassenerhalt betraut worden – Silvan Hefti ist sein erster Transfer in Genua.

Möglich gemacht wurden diese Zuzüge auf der Trainerbank und im Management dank der US-Investmentgruppe 777 Partners. Die Amerikaner, die auch Anteile am FC Sevilla halten, sind erst im September eingestiegen und dürften dementsprechend wenig Lust auf einen Abstieg in die Serie B haben. Daher ist mit weiteren millionenschweren Winterzuzügen in Genau zu rechnen, der Hefti-Deal dürfte erst der Anfang gewesen sein.

Heftis wird also in einem unruhigen Umfeld und in einer stark verunsicherten Mannschaft seine ersten Schritte ausserhalb der Schweiz gehen. Seine hohe Arbeitsmoral und die grosse Lernbereitschaft werden ihm dabei von grossem Nutzen sein. Einfach dürften die kommenden Wochen und Monate nicht werden. Doch mit der Unterschrift in Genua nimmt Hefti ganz bewusst in Kauf, in der nächsten Spielzeit vielleicht in der Serie B antreten zu müssen. Das spricht für das Projekt, das ihm vorgestellt wurde und für sein Glaube daran, dass etwas möglich ist.

Systemfrage

Shevchenko lässt konsequent mit einer 3-5-2-Formation spielen. Das bedeuetet, dass Heftis angestammte Position, der klassische Rechtsverteidiger, in Genuas System gar nicht existiert. Zwei Rollen kämen für den ehemaligen FCSG-Captain in Frage: Entweder spielt er als rechter Aussenläufer, wo er seine Geschwindigkeit, sein Vorwärtsdrang und seine Flankenläufe gewinnbringend einsetzen kann. Oder aber Shevchenko stellt ihn in die Innenverteidigung, wo er bereits beim FC St. Gallen Erfahrungen gesammelt hat. Als rechter Innenverteidiger käme ihm eine wichtige Rolle in der Spieleröffnung zu, eine Qualität, die er ebenfalls mitbringt. Klar ist aber auch: Im Abwehrzentrum beraubt man ihn seiner Offensivstärke, ungewiss ist zudem, ob er bereits die taktische Reife mitbringt, um in der Serie A auf ungewohnter Position zu bestehen. Die Flexibilität ist dennoch ein Plus.

Hefti blickt keinem einfachen Start entgegen: Einerseits muss er sich zum ersten Mal im Ausland beweisen und wird dafür natürlich Anlaufzeit benötigen. Andererseits braucht ihn sein neuer Verein dringend im Kampf um den Klassenerhalt. Gerade angesichts des Preisschilds und den starken Leistungen in der Champions League herrscht eine gewisse Erwartungshaltung. Erhält Hefti die Zeit, die er braucht? Und wie kommt er mit dem gänzlich neuen System und der ungewohnten Position zurecht? Bei der Eingewöhnung helfen könnte ihm übrigens ex-Nati-Star Valon Behrami (36), der seit zwei Jahren in der italienischen Hafenstadt unter Vertrag steht.

Wie denken Leute aus der Schweizer Fussballszene über den Hefti-Wechsel? Wir haben bei einem Mitglied einer Schweizer Berateragentur nachgefragt. Seine Einschätzung zum Transfer:

„Grundsätzlich ist der Zeitpunkt des Transfers nicht schlecht gewählt. Die Champions-League-Kampagne der Young Boys ist beendet und Hefti befindet sich sowohl in einem guten Alter, als auch in einem passenden sportlichen Entwicklungsstand für einen Auslandswechsel. Die Liga passt relativ gut zu seinem Spielstil. Jedoch ist Genua alles andere als eine optimale Adresse für junge Spieler. Der Verein ist nicht stabil und befindet sich in einer miserablen sportlichen Situation. Von daher ein klarer Abstieg im Vergleich zu YB. Der Kader ist deutlich zu gross und es gibt zu viele Mutationen in der sportlichen Abteilung, insgesamt kein wünschenswertes Entwicklungsumfeld. Hefti wird auf einen Serie-A-internen Aufstieg spekulieren, was bei Genua möglich ist, jedoch bedarf es dafür einer 100%-igen Leistung und der Verein müsste von Beginn weg auf ihn setzen. Ich nehme an, dass ihm insgesamt auch die Alternativen fehlten und der Wechsel kaum langfristig geplant wurde. Es wird auf jeden Fall spannend sein, seine Entwicklung in Italien zu verfolgen.“

Der Schweizer Aussenverteidiger besitzt definitiv das Potential, um sich in der Serie A durchzusetzen. Die physischen und technischen Voraussetzungen dafür bringt er zweifellos mit. Die einzige Frage stellt sich nach der Wahl seines Arbeitgebers: Ist das kriselnde Genua der richtige Schritt, zumal auch die erste Auslandserfahrung? Findet er rasch seinen Platz in Shevchenkos Kollektiv und kann zum Klassenerhalt beitragen, dann ja. Gelingt ihm die Adaption in einem instabilen Umfeld aber nicht, wird er sich kritische Fragen zu seiner Entscheidung gefallen lassen müssen. Es ist ohne Frage ein risikobehafteter Schritt, aber für Hefti gleichzeitig auch die perfekte Gelegenheit um allen zu zeigen, dass er für eine erfolgreiche Karriere in einer Topliga bereit ist.

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