In der neuen Serie „Söldner Check“ analysiert Bolzplazz die Situation eines Schweizer Spielers im Ausland. Der zweite Artikel behandelt den Luzerner Mittelfeldspieler Nicolas Haas (25), der seit diesem Sommer in der Serie A beeindruckt.
Rund vier Jahre nach seinem Wechsel in die höchste italienische Liga ist Nicolas Haas endlich in der Serie A angekommen. Es brauchte lange Umwege und viel Leidensstärke – aber nun hat er das ersehnte Ziel endlich erreicht. Der FC Empoli machte den ehemaligen FCL-Junior zu einem der teuersten Zugänge der Klubhistorie und überwies vor dieser Saison rund 3 Millionen Euro an Besitzerklub Atalanta Bergamo. Bereits in der letzten Spielzeit war Haas an Empoli verliehen, wo er sich in der Schaltzentrale einen Stammplatz erkämpfte und massgeblich zum Aufstieg in die Serie A beitrug. Der Verein hat es ihm mit einem Vertrag bis 2024 gedankt.
Spielerprofil: Im Herzen ein Marathonläufer
Wirklich geplatzt ist Haas‘ Knoten in Italien erst in der vergangenen Saison. Der 1,78m grosse, elegante Achter hat sich bei Empoli zum Schlüsselspieler entwickelt. Mit grossem läuferischen Einsatz, viel Ausdauer, gutem Auge und progressivem Passspiel zieht er im Zentrum die Fäden und ist überall auf dem Rasen anzutreffen. Angesprochen auf seine Stärken äusserte sich Haas gegenüber SRF jüngst denn auch: „Ich fühle mich am wohlsten, wenn ich viel laufen und ständig nach dem Ball fragen kann.“ Seine Laufstärke und seine Einsatzfreude sind – gepaart mit seiner Mannschaftsdienlichkeit – wohl seine wichtigsten Spielercharakteristiken.
Haas denkt stets offensiv und versucht Schnittstellen in der gegnerischen Abwehr zu bespielen, scheut sich aber auch nicht, selber bis in den Strafraum vorzustossen und den Torabschluss zu suchen. Diese progressive Spielweise konnte er in der abgelaufenen Spielzeit in gute Scoringwerte ummünzen: In 35 Pflichtspielen glückten Haas für Empoli 2020/21 starke 11 Scorerpunkte (5 Tore, 6 Vorlagen) – nie war er produktiver. Aber auch gegen den Ball weist er respektable Werte auf, zeigt sich sehr zweikampffreudig, bissig und gut in der Balleroberung. Der Innerschweizer ist sich zudem auch nicht zu schade, sich vollends in den Dienst der Mannschaft zu stellen, Räume zuzulaufen und Gegenspieler bis an die eigene Grundlinie zu verfolgen. Die Adaption ans höhere Level der Serie A ist ihm mühelos gelungen, dafür spricht auch, dass er sich in der defensiven Zweikampfführung im Vergleich zur letzten Saison sogar noch gesteigert hat: In der (jungen) Spielzeit 2021/22 weist Haas einen tollen Wert von 67% gewonnener defensiver Duelle auf.
Wohlfühloase Empoli
So rosig wie aktuell sah Haas‘ Situation in Italien allerdings lange nicht aus. Nachdem er 2017 seinen Jugendverein Luzern verliess und sich ablösefrei Atalanta Bergamo anschloss, fiel er in die Mühlen des tückischen Leihsystems. Bis zu seinem definitiven Abschied von der „Dea“ in diesem Sommer bestritt er gerademal 11 Ernstkämpfe für Atalanta. Immer wieder wurde er hin und her geschoben und in der Serie B parkiert, musste sich also im Jahrestakt wieder an ein neues Umfeld gewöhnen – suboptimale Voraussetzungen für die persönliche Weiterentwicklung. In der Saison 2018/19 wurde Haas an Palermo verliehen und lieferte in 32 Partien starke neun Assists. Bergamo reichte ihn daraufhin umgehend weiter an Frosinone, wo er trotz viel Einsatzzeit nie richtig den Tritt fand. Im Sommer 2020 folgte dann der Schritt nach Empoli – und seither befindet sich Haas im Aufwind.
„Ich bin vor einem Jahr hierher gekommen und kann sagen, dass dies ein sehr seriöser Verein ist. Klein, aber fein, wo man den Familiensinn spüren kann. Ein Club, der mit jungen Leuten und für junge Leute arbeitet und in dem man sich wohl fühlt (…) Empoli ist eine kleine Stadt, in der die Menschen ruhig und gelassen sind; ich fühle mich hier zu Hause.“
Nicolas Haas via Corriere Fiorentino
Haas ist also zum ersten Mal seit seinem FCL-Abgang 2017 an einem Ort wirklich angekommen. Sowohl unter Trainer Alessio Dionisi, als auch unter dessen Nachfolger Aurelio Andreazzoli ist er unumstrittener Stammspieler. Empoli schlägt sich gut in der Serie A, steht nach neun Spieltagen auf dem 10. Rang und hat in der 2. Runde bereits für ein dickes Ausrufezeichen gesorgt, als man Juventus Turin mit 0:1 besiegte. Dabei 90 Minuten auf dem Platz: Nicolas Haas, der sich ohne grosse Probleme ans höhere Level der Serie A anpassen konnte. Mit zwei Vorlagen in acht Einsätzen hat er auch scoringtechnisch einen guten Start erwischt und scheint im zweiten Jahr bei Empoli einen weiteren Schritt genommen zu haben.
Erstmals überhaupt während seiner Zeit in Italien, ist Haas im Sommer im selben Verein geblieben. In Empoli konnte er Wurzeln schlagen, hat ein Psychologie-Studium begonnen, geniesst das Leben in der Toskana und schätzt die Ruhe und Konstanz im Verein und in der Stadt. Das 4-3-1-2-System, indem er als laufstarker Strippenzieher viele Freiheiten geniesst, kommt ihm zudem sehr entgegen.
Nati als Ziel?
Wohin geht die Reise des 25-Jährigen? Nicht ausgeschlossen, dass – wenn er denn so konstant weiterspielt – im Sommer ein grösserer Verein anklopft. Fussball ist bekanntlich ein Leistungssport und tolle Auftritte werden belohnt: Abwegig ist es daher nicht, dass sich bald schon ein neuer Klub um ihn bemühen könnte. Haas selber wird sich darüber allerdings kaum den Kopf zerbrechen. Empoli hat ihm eine neue Chance gegeben und ihm das Vertrauen geschenkt – etwas, das er als Spieler, der jahrelang umhergeschoben wurde, dem Klub nie vergessen wird.
Haas ist Stammspieler in einer grossen europäischen Liga, performt stark und entwickelt sich stetig weiter. Zwangsläufig wird daher die Nati-Frage gestellt. Wie er vor der Saison gegenüber Blue preisgab, ist das Nationalteam ein erklärtes Ziel. Klar ist: Seine starken Leistungen sind mit Sicherheit auch Murat Yakin aufgefallen. Das Gedränge im zentralen Mittelfeld ist allerdings gross. Neben Platzhirsch Xhaka, der jetzt allerdings monatelang ausfällt, Remo Freuler, Denis Zakaria, Djibril Sow, Michel Aebischer, Edimilson Fernandes, Sandro Lauper und Fabian Frei bleibt nur sehr wenig Platz. Verstecken muss sich Haas aber sicherlich nicht, der ehemalige U21-Nationalspieler hat bewiesen, über viel Qualität zu verfügen. Sollte er eine Chance erhalten, wird er sie nutzen.