Aktualisiert: 30. Mai 2022
Er kam, sah, und siegte – André Breitenreiter verlässt den FCZ bereits nach einem Jahr wieder in Richtung Bundesliga. Wer könnte ihn beim frischgebackenen Schweizer Meister ersetzen?
Am 1. Mai 2022 war es nach 13 Jahren endlich wieder soweit – der FC Zürich ist nach langer Absenz wieder an der Spitze des Schweizer Fussballs angelangt und sichert sich den 13. Meistertitel der Vereinsgeschichte. Neben einer gelungenen Kaderplanung zu Beginn der Saison 2021/2022, gilt es für den Überraschungserfolg vor allem einen Namen hervorzuheben: André Breitenreiter.
Der Deutsche wird anfangs Juni 2021 als neuer Trainer vorgestellt, nachdem im Vorfeld Namen wie Manuel Baum, Giorgio Contini (der dann am gleichen Tag beim Stadtrivalen GC unterschrieb) und Mario Frick durch den Letzigrund geisterten. Aufgrund einer zweieinhalbjährigen Auszeit nach seinem letzten Engagement bei Hannover 96, war er fast nur begeisterten Bundesliga-Fans ein Begriff. Doch schon bald entfachte sich eine gewaltige Euphorie rund um den FC Zürich und dessen neuer Trainer. Breitenreiter war tagtäglich in den Medien – (leider) auch bei unseren nördlichen Nachbarn: Denn genau 350 Tage nach seinem Amtsantritt verlässt Breitenreiter den FCZ bereits wieder in Richtung Bundesliga und schliesst sich der TSG Hoffenheim an. Wie aus dem Umfeld des Schweizer Meisters zu entnehmen ist, hinterlässt er nicht nur sportlich, sondern vor allem auch menschlich eine extrem grosse Lücke.
André Breitenreiter – Mehr als nur ein Meistertrainer
Breitenreiter überzeugte mit einem sehr sympathischen und kommunikativen Auftreten – sowohl gegen innen als auch nach aussen. Durch viele Einzelgespräche impfte er bereits abgeschriebenen Spielern wie Assan Ceesay und Mirlind Kryeziu neues Selbstvertrauen ein, wodurch diese plötzlich zu Eckpfeilern der Meistermannschaft wurden. Auch die Kommunikation mit den Medien meisterte er souverän und liess damit seine Vorgänger bezüglich Sympathiepunkte meilenweit hinter sich. Einen Ersatz in dieser Hinsicht zu finden, dürfte sehr schwierig sein.
Der FC Zürich stand unter Breitenreiter für mitreissenden Offensivfussball. Mit hohem Pressing wurde der Gegner früh unter Druck gesetzt und nach Ballgewinn blitzartig ausgekontert. Diese Spielweise war für die leidgeprüften Zürcher Fans äusserst attraktiv anzusehen. Auch die typisch Breitenreiter’sche Fünferabwehr stand nach anfänglichen Abstimmungsproblemen immer besser und liess gerade in der zweiten Saisonhälfte nur noch sehr wenig zu. Der perfekte Mix aus schnellem Angriffsfussball und seriöser Defensivarbeit machte so den Meistertitel möglich.
Jurendic und Moser sind gefordert
Beim FCZ läuft die Suche nach einem geeigneten Nachfolger aktuell natürlich auf Hochtouren. Man darf davon ausgehen, dass sich die Sportkommission um Marinko Jurendic und Heinz Moser schon seit längerem mit möglichen Nachfolgekandidaten beschäftigt, die Breitenreiter ersetzen könnten. Was sollte der neue Trainer alles mitbringen?
Ginge es nach dem Präsidentenpaar Canepa, dürften ein Hund und Bundesligaerfahrung genügen. Leider garantieren diese Attribute noch keine fussballerischen Erfolge und genau diese sind nächste Saison wichtig, schliesslich will man europäisch überzeugen und in der Meisterschaft erneut vorne mitspielen. Wichtig daher: Ein Trainer, der sich sofort in Verein und Stadt einfindet (Sprachkenntnisse), temporeichen Offensivfussball spielen lässt (taktisches Konzept) und ähnlich wie Breitenreiter die Gabe mitbringt, aus vielen verschiedenen Einzelteilen ein funktionierendes Gefüge zu erbauen (Mannschaftsführung).
Auch die Talententwicklung darf für einen Ausbildungsklub wie den FCZ natürlich nicht zu kurz kommen. Der neue Übungsleiter sollte idealerweise also auch gezielt mit jungen Spielern arbeiten können.
Bleibt die Frage, welcher verfügbare Trainer all diese Anforderungen erfüllen kann. Zur Erinnerung: Wie Ancillo Canepa schon mehrfach erwähnt hat, wird der FCZ keinen Trainer verpflichten, der bei einem anderen Team unter Vertrag steht. Dies nicht nur wegen finanziellen Überlegungen, sondern laut ihm auch aus Gründen der sportlichen Fairness.
Wir haben uns auf die Suche gemacht und präsentieren neun mögliche Nachfolgekandidaten für Meistertrainer André Breitenreiter:
Vladimir Petkovic: Der ehemalige Schweizer Nationaltrainer dürfte vor allem bezüglich Taktik und Spielsystem für den FC Zürich äusserst interessant sein, lässt er doch schon seit Jahren erfolgreich mit Dreierkette spielen. Nach seinem Aus bei Bordeaux wäre er wieder verfügbar. Spätestens an der letzten EURO hat er bewiesen, dass er ein vorzügliches Mannschaftsgefüge formen kann, das als echte Einheit auftritt. In Sachen Kommunikationsfähigkeiten ist Petkovic hingegen fast der Gegenentwurf zu Breitenreiter. „Vlado“ war der Öffentlichkeit gegenüber jahrelang verschlossen. Ob Petkovic für den Stadtclub zudem aus finanzieller Sicht realisierbar wäre, steht in den Sternen.
Meho Kodro: Erst kürzlich wurde bekannt, dass Stade Lausanne-Ouchy und Meho Kodro getrennte Wege gehen. Nach einer enttäuschenden Saison (7. Platz) sollen frische Impulse her. Dass SLO Schwierigkeiten haben würde, die sensationelle Kampagne 2020/21 (3. Platz) zu wiederholen, war aber von Anfang an klar: Mit Zeki Amdouni, Yanis Lahiouel oder Dylan Tavares verliessen zahlreiche Leistungsträger den Verein. Dass Ouchy in dieser Spielzeit also weniger gut abschnitt, kann Kodro nicht allzu schwer angelastet werden. Vor seinem Engagement im Waadtland leistete er bei Servette und FK Sarajevo gute Arbeit. Zudem bevorzugt er ebenfalls ein System mit Dreierkette und könnte mit seiner zurückhaltenden, seriösen Art ein hochprofessionelles Arbeitsklima schaffen.
Joachim Löw: Klappt es nun doch noch zwischen Löw und dem FCZ? Der Ex-Bundestrainer stand gemäss verschiedenen Medienberichten 2006 kurz vor der Übernahme des Trainerpostens unter dem damaligen Präsidenten Sven Hotz, der sich dann aber letzten Endes für Lucien Favre entschied. Löw, der seine Trainerausbildung fast gänzlich in der Schweiz absolviert hat und gute Beziehungen zu Winterthur pflegt, könnte über eine Dekade später eine spannende Option sein. Im letzten November hat er seine Rückkehr als Trainer für das Jahr 2022 angekündigt – sehen wir ihn nächste Saison also im Letzigrund an der Seitenlinie? Es wäre ein kleiner Coup für den FCZ…
Thomas Brdaric: Brdaric ist wie Breitenreiter ein ehemaliger Bundesligaspieler, der als Trainer zuerst bei kleineren Vereinen seine Sporen abverdiente – und dies äusserst erfolgreich. Nach Stationen in den unteren Ligen Deutschlands, verschlug es ihn in die albanische Liga zu KF Vllaznia. Dort belohnte er sich gleich in seiner Premierensaison mit dem Pokalsieg, nachdem der Verein jahrelang keinen Titel mehr geholt hatte. Überraschend wurde er vor ein paar Wochen von seinem Job entbunden und ist seither auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Entwicklungsfähig, deutschsprachig, spannende taktische Ansätze und vorweisbare Erfolge: Die Akte Brdaric könnte als „Dark Horse“ tatsächlich auf dem Schreibtisch der Canepas landen.
Achim Beierlorzer: Wird es ein Übungsleiter aus der Red-Bull-Schule? Beierlorzer begann seine Trainerlaufbahn im Nachwuchs von RB Leipzig. Nach Anstellungen als Chefcoach bei Jahn Regensburg, beim 1. FC Köln und bei Mainz 05, kehrte er im letzten Sommer in den RB-Schoss zurück und amtete als Assistent von Jesse Marsch (mittlerweile Leeds United). Nach dessen Entlassung fungierte er für ein Spiel als Interimstrainer beim frischgebackenen DFB-Pokalsieger, ist seit der Übernahme Domenico Tedescos aber wieder auf Arbeitssuche. Ähnlich wie Peter Zeidler in St.Gallen, könnte Beierlorzer beim FCZ den RB-typischen spektakulären Umschaltfussball einführen (wobei bereits Breitenreiters Ansatz nicht weit davon entfernt war).
Daniel Farke: Der ehemalige Norwich-Trainer hat zuletzt bei FK Krasnodar in Russland unterschrieben, stand dort aber aufgrund der aktuellen Situation bei keinem einzigen Spiel an der Seitenlinie. Erst kürzlich liess er in einem Interview verlauten, dass es ihn reizen würde, einen Mittelklasseverein auf das nächste Level zu heben – Aussagen, die die FCZ Fans auch von Breitenreiter bei seiner Amtsübernahme gehört haben. Trotz der diesjährigen Meisterschaft besitzt der FCZ noch viel Potenzial nach oben und könnte bei Farke durchaus mit der Chance auf die Champions League punkten.
Peter Stöger: Den Bundesliga-Fanatikern, allen voran Ancillo Canepa, dürfte auch der Name Peter Stöger ein Begriff sein. Der ehemalige Trainer von Borussia Dortmund und vom 1. FC Köln war zuletzt in Ungarn bei Ferencvàros Budapest tätig. Dort führte er seine Mannschaft über die CL-Quali in die Gruppenphase der Europa League – ein Ziel, das auch der FCZ vor Augen haben dürfte. In Köln ist Stöger bis heute eine Kultfigur, schliesslich führte er den Klub aus der Zweitklassigkeit zurück in die Bundesliga und bis nach Europa.
Genesio Colatrella: Nicht zu vergessen: Beim FC Zürich steht bereits ein spannender Trainer unter Vertrag. Im letzten Sommer lotste man Genesio Colatrella aus Luzern nach Zürich. Die Verpflichtung zahlte sich aus: Die U21 des Stadtclubs spielt eine hervorragende Saison und rangiert auf einem sensationellen 5. Rang in der Promotion League – für eine U21-Mannschaft ein grosser Erfolg. Colatrella kennt Verein und Umfeld bestens, hat zudem bereits mit der nachrückenden Talentgeneration gearbeitet. Wer weiss, vielleicht wäre die In-House-Lösung ja die naheliegendste Variante.
+++Eklusiv: Mirko Slomka ein Thema beim FC Zürich?+++
Nach Veröffentlichung dieses Artikels wurde uns eine Information zugespielt, die es lohnt, hier preisgegeben zu werden: Demnach soll mit dem früheren Schalke-, HSV- und Hannover-Coach Mirko Slomka ein weiterer bundesligaerfahrener Trainer ein heisses Thema in Zürich sein. Mit Breitenreiter hat Slomka nicht nur zwei ehemalige Klubs im Lebenslauf gemein, sondern auch die Tatsache, dass beide vor ihrer (potentiellen) Anstellung beim FC Zürich eine Schaffenspause eingelegt haben. Seit seinem Aus als Hannover-Coach im Herbst 2019 ist Slomka nämlich nicht mehr auf die Trainerbank zurückgekehrt. Stimmen unsere Informationen, könnte sich das in diesem Sommer ändern…
Weitere verfügbare Trainer:
- Bruno Labbadia (zuletzt Hertha)
- Fabio Celestini (zuletzt Luzern)
- Marcel Koller (zuletzt Basel)
- Sandro Schwarz (zuletzt Spartak)
- Thomas Schneider (zuletzt DFB)
- Florian Kohfeldt (zuletzt Werder)
- Markus Gisdol (zuletzt Köln)
- Christian Preusser (zuletzt Düsseldorf)
- Jan Zimmermann (zuletzt Hannover)
- René Aufhauser (zuletzt Liefering)
- Markus Schopp (zuletzt Barnsley)