Aktualisiert: 11. Feb. 2022
Das Transferfenster in der Schweiz ist noch bis Mitte Februar geöffnet. In unserer neuen Rubrik Transfer Review blicken wir jeweils auf einen Super-League-Neuzugang. Heute im Fokus: Ex-U21-Nati-Captain Kevin Rüegg (23), der sich dem FC Lugano angeschlossen hat.
Lugano ist in diesem Winter ein beachtlicher Coup geglückt: Die Tessiner übernahmen Rechtsverteidiger Kevin Rüegg leihweise von seinem Stammklub Hellas Verona – inklusive Kaufoption. Der gebürtige Zürcher ist als ehemaliger Kapitän der U21-Nationalmannschaft ein grosser Name in der Schweizer Fussballszene. Nicht wenige sahen in ihm die Zukunft der Schweizer Nationalmannschaft hinten rechts, als er im Herbst 2020 nach vielen Jahren beim FC Zürich den Sprung ins Ausland wagte.
Rüegg hatte zu diesem Zeitpunkt über 100 Pflichtspiele für den FCZ in den Beinen, führte den Stadtclub mit 20 Jahren erstmals als Kapitän an, gewann den Cup, spielte Europa League und war ein Schlüsselspieler in der U21-Nati. Wie zahlreiche junge Schweizer vor ihm, konnte aber auch er den vielen Vorschusslorbeeren im Ausland nicht gerecht werden – und ist nun nach schwierigen eineinhalb Jahren zurück in der Super League.
Bei Hellas Verona hatte Rüegg nicht nur mit starker Konkurrenz zu kämpfen, sondern auch mit grossem Verletzungspech. Schon während seiner Zeit beim FCZ wurde der kräftige Aussenverteidiger immer wieder von Blessuren zurückgeworfen – eine doppelte Knieverletzung kostete ihn zwischen Herbst 2018 und Sommer 2019 insgesamt 5 Monate. In Italien erhielt er aufgrund anhaltender gesundheitlicher Beschwerden gar keine echte Chance, sich an die Serie A anzugewöhnen. Seit seinem Wechsel anfangs September 2020 absolvierte Rüegg nämlich gerademal 9 Pflichtspieleinsätze – keinen einzigen davon über 90 Minuten. In dieser Saison war er zwar mehrheitlich fit, stand in der Liga aber dennoch keine Sekunde auf dem Rasen. Der einzige Einsatz für Verona in der laufenden Spielzeit hatte Rüegg im Dezember in der Coppa Italia.
Ein Symbol der neuen Tessiner Ansprüche
Um seine einst vielversprechend gestartete Karriere nicht früh gegen die Wand zu fahren, musste Rüegg in diesem Winter wechseln. Der junge Schweizer zog reges Interesse auf sich, mehrere Vereine aus der Serie B und aus der Super League befassten sich mit ihm. Dass seine Wahl am Ende auf den FC Lugano gefallen ist, mag viele erstaunen. Wer aber das neue Projekt im Tessin kennt, der weiss, dass dieser Transfer nicht von ungefähr kommt. Der Verein wurde im letzten Sommer von US-Milliardär Joe Mansueto übernommen, dem bereits Shaqiris neuer Klub Chicago Fire gehört. Die Geldsorgen der Luganesi gehören seither der Vergangenheit an, neuerdings wird im Tessin gross gedacht. Mit ex-FCB-Mastermind Georg Heitz als technischer Direktor ist in Lugano eine überaus fähige Person am Ruder, die den Verein nun neu aufstellt.
Heitz formulierte vor der Öffnung des Transferfensters den forschen Anspruch, 6 Neuverpflichtungen präsentieren zu wollen – und hielt Wort. Rüegg war der 6. Winterneuzugang und gleichzeitig auch ein Symbol für die neuen Tessiner Ansprüche. Denn: Ebenfalls an Rüegg interessiert waren die Berner Young Boys, die ihn als möglichen Ersatz für den zu Genoa abgewanderten Silvan Hefti identifiziert hatten. Wie konkret das Interesse des Meisters am Ende war, ist nicht verbrieft. Was aber klar ist: Lugano hat sich im Rennen um einen der talentiersten Schweizer Spieler seiner Generation gegen den amtierenden Schweizer Meister durchgesetzt – ein kleines Ausrufezeichen. Und ein Fingerzeig, in welche Richtung es für Lugano in naher Zukunft gehen könnte.
Power über rechts
Rüegg wird in der Super League auf Anhieb eine neue Attraktion sein. Schon während seiner Zeit in Zürich machte er die Liga mit seiner Power über die rechte Aussenbahn unsicher. Als athletischer, offensivstarker Rechtsverteidiger gefällt er mit viel Speed, Qualität im Eins-gegen-Eins und Durchschlagskraft. Seine hervorragenden körperlichen Voraussetzungen in Kombinaton mit seiner technische Klasse verleihen ihm ein vorzügliches Gesamtpaket. Dieses erlaubt es Rüegg, nicht nur auf der Rechtsverteidigerposition, sondern auch im defensiven Mittelfeld und auf der offensiven Aussenbahn eingesetzt zu werden.
Luganos variables Fünfer-Abwehrsystem ist wie auf Rüegg zugeschnitten: Den Aussenläufern kommt eine hohe Bedeutung fürs Offensivspiel zu, nicht nur setzen sie immer wieder zu offensiven Läufen über die Aussen an, sie stossen auch in den Strafraum vor und suchen vehement selber den Abschluss. Gerade Numa Lavanchy (28), dem Rüegg den Platz streitig machen wird, hat sich in den letzten Jahren mit seiner Gefährlichkeit vor dem gegnerischen Tor einen Namen gemacht. Lavanchys Vertrag läuft am Ende dieser Saison aus, gut möglich, dass er dann eine neue Herausforderung suchen wird. Neben Teams aus dem Ausland soll auch der FC Sion ernsthaft über ein Angebot nachdenken. Sollte bei Rüegg die Kaufoption gezogen werden, hätte Lugano den Ersatz also schon bereitstehen.