Wer wird Super-League-Torschützenkönig 2021/22?

Die Saison 2021/22 der CSSL neigt sich langsam dem Ende zu. In wenigen Wochen werden alle wichtigen Entscheidungen gefallen sein. Neben dem Kampf um den Abstieg und um die Europacup-Plätze, ist auch das Rennen um die Torjägerkrone noch offen. Wer krallt sich den Titel?

Eines vorweg: Wäre Arthur Cabral (23) Ende Januar nicht nach Italien zur AC Florenz abgewandert, wäre das Torjäger-Rennen wohl gar kein richtiger Wettlauf mehr und längst entschieden. Denn obwohl der Brasilianer nur eine Halbserie mit dem FC Basel absolviert hat, steht er gegenwärtig mit 14 Treffern immer noch auf dem 3. Rang der Torschützenliste. Im Schnitt traf „King Arthur“ in der Meisterschaft alle 106 Spielminuten ins Schwarze, was unter den Top-Stürmern der Liga Bestwert ist. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kommt Cabral in der Serie A nun immer besser in Fahrt und war zuletzt gesetzt. Und wer weiss – lassen seine alten Kontrahenten in den letzten Wochen der Saison ein wenig nach, winkt ihm sogar noch die Bronzemedaille des Super-League-Torjägerklassements.

In der aktuellen Torschützenwertung stehen mit Siebatcheu und Ceesay nur zwei Angreifer vor dem ehemaligen Basler:

1. Jordan Siebatcheu (26), BSC Young Boys – 21 Tore

Siebatcheu hat sich in der letzten Saison mit tollen Leistungen direkt in die Herzen der YB-Anhänger gespielt und ist sogar zum US-Nationalspieler aufgestiegen. 12 Ligatreffer resultierten in seiner Debütspielzeit in Bern, auch in der Europa League sorgte er u.a. mit 3 Toren gegen Bayer Leverkusen für Furore. Obwohl der amtierende Meister augenscheinlich einiges an Glanz der letzten Jahre eingebüsst hat, überzeugt Siebatcheu in diesem Jahr mehr denn je mit Treffsicherheit und Konstanz. Nach Hoarau und Nsame ist er der nächste YB-Stürmer, der die Liga dominiert. Seine Quote aus der vergangenen Saison hat der Rechtsfuss trotz eines weniger gut funktionierenden Kollektivs bei weitem übertroffen. 21 Meisterschaftstore stehen nach 30 Einsätzen zu Buche, wobei ein Viererpack im Dezember gegen Lugano besonders ins Auge sticht.

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Siebatcheu glänzt mit grosser Abschlussstärke in der Box und Nerven aus Stahl – eine Elfmeter-Erfolgsquote von 100% (bei 4 Versuchen) unterstreicht das. Dank einer Körpergrösse von 1,90m und beeindruckender physischer Durchsetzungskraft, funktioniert er als Zielspieler für Flanken optimal – 8 seiner 21 Tore erzielte er so per Kopfball. In der Luft ist der US-Amerikaner also eine echte Waffe. Aber auch als Wandspieler und mit dem Ball am Fuss weiss er durchaus zu gefallen, mit gutem Stellungsspiel kann er zudem Tempo-Nachteile ausgleichen. Eine weitere Stärke: Siebatcheu fackelt nicht lange, sondern sucht den direkten Weg zum Tor. Mit total 94 abgegebenen Schüssen liegt er in dieser Kategorie ligaweit in Führung, wobei der YB-Akteur in Sachen Präzision mit nur 1,44 Schüssen aufs Gehäuse pro 90 Minuten aber nicht ganz mit den Besten mithalten kann.

2. Assan Ceesay (28), FC Zürich – 17 Tore

Es ist nicht lange her, da hängten ihm die allermeisten Zuschauer das Prädikat „Stolperi“ und Chancentod an. Ceesay fiel in der Super League jahrelang durch glücklose Aktionen und notorische Harmlosigkeit auf. Seine Transformation in dieser Saison gehört daher zu den wundersamsten Überraschungen der jüngeren Vergangenheit: Seit André Breitenreiter das Ruder übernommen hat, ist der Gambier ein völlig neuer Spieler und zum Gesicht des FCZ-Erfolgs geworden. Ceesay profitiert davon, endlich seinen Stärken entsprechend eingesetzt zu werden. Das Resultat: 17 Tore in der Liga und eine Schlüsselrolle beim bevorstehenden Titelgewinn des Stadtclubs. Ceesays märchenhafte Saison wurde im Winter um ein Kapitel reicher, als er mit Gambia zum ersten Mal in der Geschichte am Afrika Cup teilnahm und es mit seinem Land bis ins Viertelfinale schaffte.

Der pfeilschnelle Stürmer wird mit vertikalen Zuspielen in die Tiefe geschickt und dringt dann mit hohem Tempo in den Strafraum ein, um sofort den Abschluss zu suchen. Die Geschwindigkeit ist dabei Ceesays grösste Stärke, manchmal ist er aber sogar für den Ball zu schnell: 18-mal in dieser Saison stand er bereits im Abseits – doppelt so oft wie Konkurrent Siebatcheu! Die Tore des FCZ-Stürmers folgen einem ganz bestimmten Muster: Der Gambier wird mit linienbrechenden Zuspielen lanciert und schliesst aus vollem Lauf mit seinem starken linken Fuss ab – dieser Spielzug ist in der laufenden Saison zu so etwas wie Ceesays „Signature Move“ geworden. Extrem variabel ist der Gambier aber nicht, trotz seiner 1,88m gelangen ihm erst zwei Kopfballtore. Dafür umso bemerkenswerter: Neben seinen vielen Toren glänzt Ceesay auch als Vorlagengeber – 7 Assists sind es bereits in dieser Spielzeit.

Fazit: Siebatcheu hat den Vorsprung, Ceesay die Euphorie

Die beiden torgefährlichsten Akteure der laufenden Super-League-Saison spielen die beste Kampagne ihrer bisherigen Karrieren. Sowohl der YB-Sturmtank, als auch die FCZ-Rakete präsentieren sich enorm kaltschnäuzig und erzielen den maximalen Erfolg aus ihren Chancen. Siebatcheu übertrifft seinen xG-Wert (erwartete Tore) von 15,4 um ganze 5,6 Treffer. Ceesay ist statistisch gesehen gar noch effektiver und kommt mit 10,0xG auf 17 Tore. Der 1. Platz im Torjäger-Ranking wird einem dieser beiden Angreifer zufallen – wobei Siebatcheu 5 Runden vor Schluss angesichts seines Vorsprungs die besseren Karten hat. Abschreiben sollte man Ceesay aber noch nicht: Der FC Zürich schiesst in diesen Wochen Tor um Tor und der grosse Ansporn, neben dem Titelgewinn auch noch die Torjägerkrone abzugreifen, dürfte für den Gambier sehr gross sein. Kann es für einen Angreifer im Hoch überhaupt eine bessere Motivation geben?

Der Rest – Wer fängt Cabral noch auf dem 3. Rang ab?

Nach den beiden Toptorjägern tut sich eine beachtliche Lücke auf. Auf dem geteilten 4. Rang (hinter Cabral) befinden sich Antonio Marchesano (31), Zeki Amdouni (21) und Kwadwo Duah (25) mit je 12 Toren. Erstgenannter hatte vor allem in der Hinrunde einen Lauf, während Amdouni und Duah seit dem Jahreswechsel in absoluter Topform sind. Die drei Schweizer bräuchten aber alle ein Fussballwunder, um im Kampf um die Torschützenkrone noch ein Wörtchen mitzureden. Gleichwohl sind die persönlichen Leistungen der drei Spieler aller Ehren wert. Während Marchesano als Spielgestalter und Kreativkopf ein Eckpfeiler auf dem Weg zur Zürcher Meisterschaft ist, hält Amdouni Lausannes Hoffnungen auf den Klassenerhalt im Alleingang am Leben. Die spannendste Frage: Kann einer dieser Angreifer Cabral die Bronzemedaille noch abnehmen?

Mit Christian Fassnacht (28) ist noch ein weiterer Name erwähnenswert. Wäre der Schweizer Nationalspieler in diesem Jahr nicht ständig durch Verletzungen gebremst worden, hätte er bei der Vergabe der Torjägerkrone sicherlich auch eine Rolle gespielt. War Fassnacht fit, scorte er nämlich auch. In 14 Ligapartien registrierte er sackstarke 9 Tore. Seine 0,83 «Non-Penalty-Goals» pro 90 Minuten sind herausragend und Bestwert in der gesamten Liga. Hätte er diese Quote über eine ganze Spielzeit durchziehen können, stünde der YB-Akteur bei knapp 30 Toren. Ebenfalls schauten pro abgefeuerten Schuss 0,29 Treffer heraus. Auch in dieser Statistik liegt Fassnacht ligaweit in Führung. Diese Zahlen unterstreichen nicht nur seine Effektivität, sondern seine ganze fussballerische Klasse. Was wäre für YB wohl anders gelaufen, wenn ein «Fasi» in dieser Form nicht ständig verletzt gewesen wäre?

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Ein Blick in die Vergangenheit

Seit der Ligareform 2003 wurden insgesamt 18 Torjäger der Super League gekrönt. In dieser Zeitspanne kam der torfreudigste Spieler je siebenmal vom FC Basel und von den Young Boys. GC stellte mit Shkelzen Gashi und Munas Dabbur zwei Sieger, der FC Zürich und der FC St. Gallen mit Alhassane Keita und Oscar Scarione je einen. Die restlichen Vereine haben schon seit längerer Zeit keinen Torschützenkönig mehr in ihren Reihen gehabt.

Auffällig ist, dass seit 2003 nur in fünf Saisons ein Schweizer Akteur die meisten Tore schoss. Stéphane Chapuisat, Hakan Yakin und Alex Frei (zweimal) sind dafür äusserst klingende Namen, denen dieses Kunststück gelang. Dazu gesellt sich Albian Ajeti, der in der Spielzeit 2017/18 ebenfalls zuoberst landete. Der aktuell in Schottland engagierte Mittelstürmer konnte sich damals mit 17 Toren die Auszeichnung sichern – ein Tiefstwert seit Einführung der Super League. Auf der anderen Seite traf YB-Meisterstürmer Jean-Pierre Nsame vor zwei Jahren ganze 32-mal ins Schwarze – Rekordwert.

Weitere spannende Fakten rund um den Torschützenkönig seit der Saison 2003/04:

  • Es setzte sich immer ein Spieler klar durch: Nie gab es einen geteilten Sieger
  • Shkelzen Gashi gewannen die Torjägerkrone zweimal nacheinander als Spieler von unterschiedlichen Vereinen (2013/14 mit GC, 2014/15 mit dem FC Basel)
  • Seydou Doumbia wurde 2009 und 2010 bei YB Torschützenkönig, ehe ihm gleiches sieben Jahre später auch mit dem FC Basel gelang (mit drei Erstplatzierungen liegt der Rekord für die meisten Torjägerkronen auch beim Ivorer)
  • Albian Ajeti schoss seine 17 Tore in der Spielzeit 2017/2018 für zwei verschiedene Vereine (Drei Treffer für den FC St. Gallen, den Rest für den FC Basel)
  • Mit Hakan Yakin, Oscar Scarione und Shkelzen Gashi wurden nur drei Akteure beste Torschützen, welche nicht als klassische Mittelstürmer agierten
  • Nur in sieben Fällen blieb der amtierende Torschützenkönig in der darauffolgenden Saison bei seinem Verein
  • Marco Streller (119 Tore), Mauro Lustrinelli (110 Tore) und Marco Schneuwly (103 Tore) sind zwar in der Top 50 der ewigen Torschützenliste der höchsten Schweizer Spielklasse vertreten, wurden allerdings nie Torschützenkönig
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