Wilfried Kanga – YB’s Mann der Stunde

Er brauchte eine gewisse Anlaufzeit, aber jetzt ist er voll da – und plötzlich YB’s erfolgreichster Stürmer. Wer ist Wilfried Kanga und was macht ihn aktuell so stark?

Er kam als typischer YB-Transfer in diesem Sommer nach Bern: Wilfried Kanga, 23-jährig, galt lange als grosses Talent, konnte seine Anlagen im Profibereich aber nie konstant in Zählbares ummünzen. Die Young Boys haben sich unter der Ägide von Sportchef Christoph Spycher zu einer Top-Adresse für Spieler wie Kanga entwickelt. Für begabte, entwicklungsfähige Fussballer, denen der Durchbruch andernorts nicht restlos gelungen ist. In Bern erhalten sie die nötigen Ressourcen, um ihre Karriere richtig zu lancieren, ehe sie dann für viele Millionen ins Ausland verkauft werden sollen. Beispiele von Spielern, die diesen Weg gegangen sind, gibt es genug: Kevin Mbabu, Djibril Sow, Loris Benito, Ulisses Garcia, Christopher Martins Pereira oder Jordan Siebatcheu.

Wilfried Kanga reiht sich nahtlos in diese Aufzählung ein. Und genau wie seinen Vorgängern ist es nun auch ihm gelungen, eine tragende Rolle im Berner Kollektiv einzunehmen. Vor wenigen Wochen war damit nicht unbedingt zu rechnen. Der Französisch-Ivorische Doppelbürger wirkte in dieser Hinrunde lange wie ein Fremdkörper und agierte oft unglücklich. Im Dezember ist der Knoten nun aber richtig geplatzt. In seinen letzten 3 Einsätzen in der Liga registrierte Kanga sagenhafte 5 Treffer.

Aus Paris über die Türkei nach Bern

Dass er zu solchen Leistungen im Stande ist, war dem YB-Scoutingteam klar – sonst hätte man ihn nicht verpflichtet. Die Berner erkannten Kangas Potential und werden jetzt dafür belohnt. Einmal mehr muss dem Rekrutierungsteam der Young Boys gratuliert werden. Denn von blossem Auge und nur unter Berücksichtigung seines bisherigen Track-Records im Profifussball, hätte man als Laie im Sommer kaum darauf gewettet, dass Kanga zum besten Torschützen des Schweizer Meisters aufsteigt. Bis zu seinem Wechsel in die Bundeshauptstadt lief seine Karriere nämlich alles andere als reibungslos ab.

Geformt im Nachwuchs von Paris Saint-Germain, wurde er im Alter von 18 Jahren aussortiert und wechselte leihweise in die 3. Liga zur US Créteil-Lusitanos. Nach einer guten Debütsaison mit 5 Treffern wurde Erstligist SCO Angers auf den bulligen Mittelstürmer aufmerksam und nahm ihn unter Vertrag. Im Westen Frankreichs gelang ihm in drei Jahren aber nie der nächste Schritt. 36 Einsätze bestritt er in dieser Zeit für seinen Verein, dabei gelangen ihm gerademal 3 Treffer. Im Sommer 2020 hatte Angers schliesslich keine Verwendung mehr für den Angreifer und verkaufte ihn in die Türkei zu Kayserispor.

In der Süper Lig blieb der erhoffte Durchbruch aber ebenfalls aus. Zuerst gesetzt, verlor Kanga im Winter seinen Platz. Viel schlimmer noch: Der Stürmer wurde Ende Januar aussortiert und vom Spiel- und Trainingsbetrieb suspendiert. Der Grund: Kayserispor steckte in einer schweren sportlichen Krise und befand sich inmitten des Abstiegskampfes. Kanga brachte nicht die erhofften Tore und wurde als Sündenbock für die schwache Form des ganzen Vereins ausgemacht. Das Tuch zwischen den Parteien war zerschnitten, im Sommer folgte wenig überraschend die Vertragsauflösung. Für Kanga war das Jahr in der Türkei ein bitteres Kapitel. Die Young Boys boten ihm dennoch eine neue Chance – die er mit beiden Händen gepackt hat.

Plötzlich bester Berner Torjäger

Kangas Start in Bern war nicht leicht. Da er seit Januar gänzlich ohne Spielpraxis war, brauchte er eine gewisse Zeit, um seinen Rhythmus zu finden. Anfangs wirkte er behäbig, isoliert und ohne Durchschlagskraft. Sportchef Christoph Spycher mahnte zur Geduld. Man wolle den neuverpflichteten Angreifer behutsam aufbauen, genau wie es mit Jordan Siebatcheu im letzten Jahr gelungen sei, liess sich der 43-Jährige zitieren. Dass sich die Young Boys unter David Wagner in keiner einfachen sportlichen Situation befinden, machte Kangas Start in der Schweiz aber nicht gerade einfacher. Ein erstes Ausrufezeichen setzte er im Cup im September. Gegen Illiria Solothurn gelang ihm ein Dreierpack. Drei Tage später erzielte er beim 6:1-Kantersieg über Lausanne-Sport sein erstes Super-League-Tor. Trotzdem dauerte es bis in die Adventszeit, ehe Kanga wirklich ins Rollen kam.

Im Nachholspiel gegen Lugano (3:1) war er es, der mit 2 Toren nach seiner Einwechslung YB im Alleingang zum ersten Vollerfolg nach 6 sieglosen Partien in Folge schoss. Auch in den folgenden Spielen gegen Servette (1:2) und Sion (4:3) traf er jeweils, gegen die Walliser glückte ihm am letzten Spieltag gar erneut ein Doppelpack. So steht Kanga nun bei 8 Treffern nach 13 Liga-Einsätzen, womit er intern der beste Torschütze der Young Boys ist. Rechnet man seine 4 Tore im Schweizer Cup mit dazu (neben der Triplette in Solothurn traf er auch in der 1. Runde gegen Littau) bilanziert er stolze 12 Tore.

Bemerkenswert daran ist vor allem, dass Kanga in der Liga erst fünfmal in der Startelf stand. Das macht ihn zum effizientesten Spieler der Super League: Niemand weist einen höheren Toreschnitt auf als er, nicht einmal Arthur Cabral. Will heissen: Kanga kommt auf 1.26 Tore pro 90 Minuten, Cabral steht bei 0.97. Oder in anderen Worten: Der YB-Stürmer trifft alle 71 Minuten in der Liga – ein absoluter Topwert.

Physis, Tempo und Torgefahr

Wilfried Kanga ist unbestritten der Berner Mann der Stunde. Es gelingt ihm endlich das, was ihm in seiner Karriere bis dato einfach nicht gelingen wollte: Seine vielversprechenden Anlagen in Zählbares umzumünzen. Aber nicht nur das: Vielmehr wirkt er nun wirklich angekommen im Verein. Seine Bewegungen sind flüssig, seine Aktionen haben Hand und Fuss und er versteht es, seinen beeindruckender Körper gewinnbringend einzusetzen. Kanga ist 1,89m gross, physisch robust und sehr gefährlich mit dem Kopf. Darüberhinaus ist er beidfüssig stark, schiesst seine Tore sowohl mit rechts, als auch mit links. Besonders in Erinnerung bleibt sein gefühlvoller Heber gegen Lugano aus der Distanz – der ihm mit seinem „schwächeren“ Linken gelang.

Ein weiteres Element in Kangas Spiel ist seine Explosivität: Der Mittelstürmer ist trotz seiner physischen Wucht sehr antrittsschnell und kann seinen Bewachern davonlaufen. Damit verfügt er über ein Profil, das so im YB-Sturm nicht vorhanden ist. Weder Platzhirsch Jean-Pierre Nsame, noch dessen erster Vertreter Jordan Siebatcheu sind besonders schnell. Sie funktionieren in erster Linie als Zielspieler, nicht aber als bewegliche, mobile Angreifer. Kanga kombiniert beides: Dank seinem Körperbau und seiner Geschwindigkeit kann er sowohl als lauernde Anspielstation in der gegnerischen Box, als auch als Konterspieler eingesetzt werden. Damit vergrössert er das Repertoire im Berner Sturm und verbessert die Qualität – und das nicht nur in der Breite, sondern auch in der Spitze.

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