Belgien – das neue Sprungbrett für Schweizer Spieler?

Immer mehr junge Schweizer Fussballer wechseln nach Belgien. Bolzplazz erklärt den neusten Trend auf dem Transfermarkt.

Anfangs April wird bekannt: Ardon Jashari (21) wechselt auf die kommende Saison hin zu Club Brügge. Der Transfer macht hellhörig: Jashari – einer der dominantesten Spieler der Super League, Captain beim FC Luzern und WM-Teilnehmer 2022 – verlässt die Schweiz nicht etwa wie allseits erwartet in eine Top-Liga. Sondern nach Belgien. Und damit in eine Liga, die doch gefühlt mit dem Schweizer Fussball auf Augenhöhe liegen müsste.

Jasharis Wechsel in die belgische Pro League, der dem FCL immerhin eine Rekord-Ablöse von rund 6 Millionen einbringt, ist aber nur auf den ersten Blick überraschend. Vielmehr ist sein Schritt Symptom einer bereits seit längerem anhaltenden Entwicklung.

Die Super League reicht nicht mehr als Sprungbrett

Vor einigen Jahren wäre ein Schweizer Fussballer des Kalibers Jashari wohl noch in einer Top-5-Liga untergekommen. Ein Wechsel à la Ruben Vargas (Augsburg), Simon Sohm (Parma) oder Kevin Rüegg (Hellas Verona) wäre durchaus vorstellbar gewesen. Jashari aber wählt einen anderen Weg. Und wechselt von einer Ausbildungsliga in die nächste. Nur: Der belgische Fussball entwickelt sich rasant. Und bringt Jahr für Jahr junge Spieler hervor, die Top-Level erreichen. In den letzten Jahren waren das etwa Jonathan David (Lille), Victor Osimhen (Napoli), Jérémy Doku (Manchester City) oder Victor Boniface (Leverkusen). Anders die Super-League-Abgänge: Von allen U23-Spielern, die die Super League zwischen 2019 und 2022 in eine grosse Liga verlassen haben, haben sich nur 5 nachhaltig durchgesetzt: Djibril Sow (heute Sevilla), Ruben Vargas (Augsburg), Jordan Lotomba (Nizza), Edon Zhegrova (Lille) und Moritz Jenz (Wolfsburg). Bei den Abgängen aus dem letzten Sommer ist es noch zu früh für ein Urteil. Mit Ausnahme von Riccardo Calafiori (Bologna) und Becir Omeragic (Montpellier) ist zumindest aber keinem U23-Spieler bereits im Debüt-Jahr der grosse Durchbruch gelungen.

Auch andere Parameter verdeutlichen, dass die Super League im Vergleich zur Pro League abzurutschen droht. In der UEFA-Fünfjahreswertung liegt Belgien auf Platz 8 und ist damit hinter den Top 5, Portugal und Holland die bestbewertete Liga Europas. Auch finanziell bewegen sich die belgischen Klubs im Vergleich zur Super League in anderen Sphären: Die 16 belgischen Erstliga-Vereine gaben im letzten Sommer 194 Millionen für neue Spieler aus. Die Super-League-Klubs „nur “ 47 Millionen. Dazu verkauften die belgischen Klubs Spieler für insgesamt 296 Millionen ins Ausland – währenddessen registrierte die Super League Transfereinnahmen von „nur“ 99 Millionen.

Die finanzielle Differenz ist also enorm. Genauso wie der numerische Output an jungen Spielern, die das Potenzial mitbringen, auf Anhieb in einer Top-Liga zu bestehen. Die Super League wird so im Vergleich mit Belgien zu einer „Zulieferer-Liga“ für die echte Ausbildungs-Liga. Oder mit anderen Worten: Die Super League reicht aufstrebenden jungen Spielern nicht mehr als Sprungbrett, um sich langfristig in einer Top-5-Liga durchzusetzen. Dazu ist ein Zwischenstopp in einer anderen Liga von Nöten, wo das Niveau höher und die Chancen auf einen grossen, langfristig funktionierenden Transfer vielversprechender sind – eben etwa in Belgien. Die Agenten hierzulande haben dieses Muster erkannt. Und bringen so mittlerweile selbst Top-Talente wie Jashari in einem ersten Schritt lieber nach Belgien als nach Deutschland oder Italien.

Der „belgische Weg“ funktioniert für Super-League-Spieler

Der Strom an Spielern, der die Schweiz in den letzten Jahren gen Belgien verlassen hat, wächst somit stetig an. Seit Sommer 2021 sind 12 Schweizer Spieler (davon fünf U23) in die Pro League oder in die zweitklassige Challenger Pro League gewechselt. Dazu 10 weitere ausländische Spieler, die via Super League oder Challenge League einen Wechsel in eine der höchsten zwei belgischen Ligen getätigt haben.

Hayao Kawabe (r.) gehört zu jenen Spielern, die aus der Super League nach Belgien gewechselt sind – in seinem Fall von GC zu Standard Lüttich.

Dass ein solcher Schritt für Schweizer Spieler sinnvoll ist, verdeutlichen folgende Beispiele:

Cameron Puertas: Der Shootingstar

Cameron Puertas (25), geboren im Waadtland, wechselt nach eineinhalb starken Jahren in der Super League bei Lausanne-Sport im Winter 2022 zum belgischen Spitzenteam Royale Union Saint-Gilloise. Nach einer gewissen Anlaufzeit ist ihm beim Klub aus Brüssel in dieser Saison der absolute Durchbruch gelungen. Im Eiltempo ist der flexible Mittelfeldspieler zum grossen Shootingstar des Europa-League-Teilnehmers aufgestiegen. Satte 28 Scorerpunkte (10 Tore, 18 Vorlagen) hat Puertas in dieser Saison bereits für Saint-Gilloise registriert, traf u.a. auf internationalem Parkett gegen Liverpool und Frankfurt. Mit diesen Leistungen wäre er zwingend ein Nati-Kandidat – wenn da bloss nicht die vermaledeite Geschichte mit seinem Pass wäre. Im Sommer steht für Puertas ein lukrativer Transfer in eine grosse Liga ein. Dass der „belgische Weg“ ein cleverer Schachzug ist, zeigt sein Beispiel wie kein zweites.

Mohamed Amoura: Gleich noch ein Shootingstar

Die Bezeichnung Shootingstar trifft auch auf einen zweiten Super-League-Abgang zu: Ex-Lugano-Wirbelwind Mohamed Amoura (23). Der algerische Nationalspieler wechselte im vergangenen Sommer für 4 Millionen (Ablöse-Rekord für Lugano) aus dem Tessin nach Brüssel zu Saint-Gilloise, wo er Teamkollege von Puertas wurde. Sein Impact ist enorm: In insgesamt 38 Einsätzen in dieser Saison gelangen ihm bereits 26 Scorerpunkte (21 Tore, 5 Vorlage). Damit ist Amoura mit grossem Abstand bester Torschütze seines Teams. Und bringt sich nach nur einem Jahr in Belgien bereits in Stellung für den nächsten Schritt. Auch hier lässt sich sagen: Alles richtig gemacht.

Archie Brown: Auch aus der Challenge League wird rekrutiert

Dass belgische Vereine auch vermehrt die Challenge League unter die Lupe nehmen, verdeutlicht das Beispiel von KAA Gent. Gleich zwei Spieler haben die „Buffalos“ in den letzten Monaten aus der zweithöchsten Schweizer Liga verpflichtet: U21-Nati-Juwel Franck Surdez (21) in diesem Winter von Xamax. Und den englischen Linksverteidiger Archie Brown (21) im letzten Sommer von Lausanne-Sport. Während Surdez noch Zeit braucht, ist Brown bereits fester Bestandteil des Teams, kommt in der Liga auf 79% der Einsatzminuten. Auch ein weiterer ehemaliger Challenge-League-Spieler sorgt in Belgien für Furore. Flügelstürmer Goduine Koyalipou (24), vormals ebenfalls bei Lausanne-Sport, ist mit 16 Toren für Zweitligist Beveren aktuell bester Torschütze der Challenger Pro League.

Auch in die umgekehrte Richtung funktionierts…

Interessant: Auch in die umgekehrte Richtung funktionierts. Im selben Zeitraum haben auch Schweizer Teams immer wieder in Belgien gewildert. Und das mit grossem Erfolg: Servette etwa schnappte ich im Winter 2022 Chris Bedia von Charleroi. SLO lotste im Sommer 2021 Brighton Labeau von Saint-Gilloise in die Challenge League. Und der FC Basel griff im letzten Sommer bei Thierno Barry zu, der als Torschützenkönig aus der zweithöchsten Liga von Beveren in die Super League gekommen ist. Alle drei sind Stürmer – und haben in der Super League oder in der Challenge League ihre Spuren hinterlassen. Besonders Bedia sticht heraus, hat sich in knapp zwei Jahren in Genf zum wohl besten Stürmer der Liga entwickelt, ehe er in diesem Winter zu Union Berlin weiterzog.

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