Die BSC Young Boys sind Schweizer Meister 2022/23! Nach einem Jahr Pause holen sie den Meisterkübel zurück in die Bundeshauptstadt. Wer war entscheidend für diesen Erfolg?
Bern feiert! Nach dem furiosen 5:1-Sieg über den FC Luzern stehen die Young Boys als Schweizer Meister fest. Es ist die Kür einer dominanten Saison, die zwar nicht immer optimal verlief, in der gleichwohl aber nie in Frage stand, wer am Ende zuoberst thronen würde. Für Trainer Raphael Wicky ist es der lang ersehnter erste Titel seiner Karriere, sowohl in Basel als auch in Chicago blieb seine Arbeit ungekrönt. Nun führt der Walliser das Berner Star-Ensemble zur 16. Meisterschaft in der Klubhistorie und der 4. in den letzten 5 Jahren.
Zwar treten die Young Boys unter seiner Anleitung noch nicht ganz so souverän auf wie in der Ära Seoane. Man hat das Gefühl, dass die Rädchen noch nicht ganz ineinandergreifen, dass das Team selten an seinem Limit spielt. Erreicht es dieses Limit aber, dann veranstalten die Berner auch unter Wicky bestes Spektakel – dann schiessen sie fast beliebig Tore, kombinieren fein und kaufen dem Gegner mit ihrer Wucht jeglichen Schneid ab. Wickys grösster Verdienst ist jedoch ein anderer: Hoch anrechnen muss man ihm das Management des Kaders. YB verfügt für Schweizer Verhältnisse gerade im Mittelfeld und im Angriff über eine Luxus-Auswahl. Rieder, Lauper, Niasse, Fassnacht, Imeri, Ugrinic, Rrudhani, Itten, Nsame, Elia und Monteiro streiten sich um 6 Startplätze. Trotz grosser Konkurrenzsituation hielt Wicky den Team-Spirit aufrecht und verstand es, allen Akteuren Spielzeit zu verschaffen.
Auf dem Rasen wurde YB in dieser Saison von einer Handvoll Spielern getragen. Sie bilden das Gerüst der Meistermannschaft und machten als Säulen des Teams den Titelgewinn möglich.
Cédric Zesiger (24): Fels in der Brandung
Spätestens seit dieser Saison ist Zesiger der unumstrittene Berner Abwehrchef. Seine starken Leistungen ermöglichten ihm nicht nur einen Transfer zum VfL Wolfsburg, sondern auch eine Rückkehr in den Kreis der Nationalmannschaft. Als Teil des EURO-Quali-Kaders dürften seine Ambitionen nun auf der Europameisterschaft 2024 liegen – und das völlig zurecht: Zesiger ist ein ziemlich kompletter Innenverteidiger mit grossen athletischen Qualitäten, physisch spielt er in einer Liga für sich. Zesiger misst 1,94m, verfügt über viel Wasserverdrängung und ist entsprechend dominant in Zweikämpfen. Trotz Wucht ist er relativ schnell und mobil, was ihm in Laufduellen einen Vorteil verschafft.
Um das Paket abzurunden, wartet Zesiger zudem mit guten spielerischen Qualitäten und viel Ruhe am Ball auf. Dass er ausserdem Linksfuss ist, macht ihn für den internationalen Markt umso interessanter. In Bern ist Zesiger seit seinem Wechsel von GC zum wichtigsten und konstantesten Verteidiger aufgestiegen. An der 16. YB-Meisterschaft hat der Seeländer als Leistungsträger und Wortführer grossen Anteil. Es wird zumindest vorerst auch seine Letzte sein. Wolfsburg legte rund 5 Millionen auf den Tisch, um Zesiger auf die kommende Saison hin in die Bundesliga zu lotsen.
Ulisses Garcia (27): Berner Vorlagenkönig
Links hinten ist Ulisses Garcia für die Young Boys seit Jahren eine Bank. Der vierfache Schweizer A-Nationalspieler interpretiert seine Rolle sehr offensiv und agiert auf der linken Aussenbahn teilweise wie ein zusätzlicher Angreifer. Der Genfer ist schnell und explosiv, körperlich robust und mit einem ausgeprägten Vorwärtsdrang gesegnet. Legt Garcia den Turbo ein, ist er dank seiner Athletik für die Super-League-Verteidiger nur noch schwer zu stoppen. Immer wieder dringt er so in die Gefahrenzone ein, sucht den Abschluss oder schlägt gefährliche Flanken. Ganze 9 Vorlagen leistete er bereits in dieser Saison – damit ist er nicht nur bester Vorbereiter der Berner, sondern ligaweit an der Spitze.
Auch wenn Garcias grösste Qualitäten fraglos im Spiel nach vorne liegen, ist er auch defensiv meist zuverlässig. Auch hier hilft ihm seine Athletik sehr, etwa in Zweikämpfen oder Laufduellen. Hie und da fehlt ihm bei der Verteidigungsarbeit jedoch die letzte Souveränität. Das dürfte wohl auch der Hauptgrund sein, warum er bei Murat Yakin trotz Mangel an Alternativen einen schweren Stand hat. Seine Zukunft ist indes noch völlig offen. Ähnlich wie bei Zesiger dürfte es aber nicht erstaunen, wenn Garcia in naher Zukunft eine Chance im Ausland erhält.
Lewin Blum (21): Schweizer Zukunftshoffnung
Lewin Blum legte in den vergangenen Monaten eine erstaunliche Entwicklung hin: Das YB-Eigengewächs kehrte im Winter 2022 von einer Leihe aus Yverdon zurück und mauserte sich seither von einem Kaderspieler zu einer festen Stütze der Defensive. Der junge Rechtsverteidiger war in dieser Saison unbestritten gesetzt – auch, weil sein im Sommer verpflichteter Konkurrent Kevin Rüegg über weite Strecken der Saison ausfiel. So hatte YB-Coach Wicky oft keine andere Wahl, als auf Blum zu setzen. Und dieser zahlte ihm das Vertrauen konsequent zurück.
Blum ist für sein Alter erstaunlich abgeklärt. Hektisch wird er nie, auch unter gegnerischem Druck agiert er cool und überlegt. Seine taktische Reife, seine Spielintelligenz und seine Fehler-Resistenz sind hier hervorzuheben. Anders als Garcia auf der linken Seite hat Blum keine überragende Athletik und ist weniger durchschlagskräftig, dafür aber spritzig, beweglich und sehr bissig. Auch in der Schweizer U21-Nationalmannschaft ist Blum als Stammspieler gesetzt. An der anstehenden U21-EURO wird ihm in der Defensive eine Schlüsselposition zukommen. Über kurz oder lang dürfte Blum eine Karriere im Ausland anvisieren, ein Transfer schon in diesem Sommer käme aber überraschend. Auch eine Rolle in der A-Nati ist ihm in den kommenden Jahren definitiv zuzutrauen.
Fabian Rieder (21): Der beste Spieler der Liga?
Fabian Rieders Klasse ist schon längst kein Geheimnis mehr. Der Solothurner ist aktuell das wohl grösste Juwel des Schweizer Fussballs – und in den Augen vieler der beste Spieler der Super League. Sein Einfluss aufs Spiel der Young Boys ist trotz seines jungen Alters enorm, ohne seine Impulse fehlt es dem Meister merklich an Ideen. In dieser Saison nahm Rieder nochmals einen weiteren Schritt und legte an körperlicher Präsenz und offensiver Gefährlichkeit zu. Wettbewerbsübergreifend registrierte der WM-Teilnehmer in der laufenden Saison ganze 19 Scorerpunkte (9 Tore, 10 Vorlagen) – viele davon per Standards mit seinem feinen linken Fuss.
Was ihn für YB so wertvoll macht, ist aber nicht nur seine neue Torgefährlichkeit. Sondern vielmehr seine Gabe, das Spiel mit erstaunlicher Reife, Übersicht und Intelligenz zu lenken. Rieder ist der unbestrittene Taktgeber im Mittelfeld – das Hirn der Meistermannschaft. Er kann mit Rhythmus-Wechseln das Tempo des Spiels im Alleingang bestimmen und dank seiner schnellen Auffassungsgabe mit perfekt getimten Zuspielen gegnerische Abwehrketten zerteilen. Auch aus Drucksituationen kann er sich problemlos befreien, dabei helfen ihm seine technische Klasse, seine Spielfreude und seine jugendliche Furchtlosigkeit. Auch physisch kann Rieder dagegenhalten, gegen den Ball ist er aggressiv und konsequent. Die Lobeshymnen könnten noch fast beliebig weitergeführt werden, doch irgendwo muss man zum Schluss kommen. Das Fazit: Fabian Rieder sind nach oben kaum Grenzen gesetzt. Er wird den Schweizer Fussball auf Jahre hinaus prägen.
Jean-Pierre Nsame (30) und Cedric Itten (26): Das Traumduo im Sturm
Was braucht jeder Meister? Logisch: Ein Stürmer, der die Liga dominiert. Noch besser, wenn man gleich zwei davon hat. Die Young Boys schickten in dieser Saison mit Cedric Itten und Jean-Pierre Nsame ein Sturmduo ins Rennen, das neue Massstäbe setzt. Beide Angreifer zeichnen sich durch physische Wucht und ausgeprägte Knipser-Qualitäten aus. Auch spielerisch harmoniert das Duo prächtig, immer wieder legten sie sich in dieser Spielzeit Tore gegenseitig auf. Aktuell stehen die beiden gemeinsam bei 47 Scorerpunkten in der Super League (Itten 26, Nsame 21) – ein überragender Wert. Damit sind Itten und Nsame an nicht weniger als 63% aller Berner Tore direkt beteiligt.
Itten hat dank seiner überragenden Form die Tür zur Nationalmannschaft wieder weit aufgestossen. Hinsichtlich der EURO 2024 hat er im Stürmer-Rennen gute Aktien. Gerade deswegen dürfte der frühere Basler Junior auch in der neuen Saison für YB auf Torejagd gehen, um seinen Platz in der Nati nicht zu gefährden. Auch Jean-Pierre Nsame hat wenig Grund für einen Wechsel ins Ausland. Gut möglich, dass YB also auch in der neuen Saison mit diesem Duo im Angriff antritt – und mit seinen Stürmern erneut für Angst und Schrecken sorgen wird.