Das waren die Super-League-Entdeckungen der Saison – Teil 1

Die Spielzeit 2022/23 ist seit einigen Wochen passé, die Vorbereitungen auf die nächste Saison laufen bereits an. Diese Zwischenphase ist der ideale Zeitpunkt, um auf die grössten Entdeckungen des vergangenen Super-League-Jahres zu blicken. Welche unbekannten Spieler haben sich in der zurückliegenden Saison einen Namen gemacht?

Unsere zweiteilige Serie zu den Entdeckungen der letzten Spielzeit beginnt mit Spielern von Teams aus der oberen Tabellenhälfte. Gemeinsam mit den Datenexperten von Footballytics haben wir je einen Spieler pro Mannschaft ausgewählt, der besonders aufgefallen ist. Die verwendeten Spielerradare entstammen allesamt ihren eigenen Data-Analytics-Tools.

Um als Entdeckung zu gelten, müssen zwei Kriterien erfüllt sein: Erste ganze Saison in der Super League als (unbestrittener) Stammspieler und bzw. oder eine bemerkenswerte Leistungsexplosion im Vergleich zum Vorjahr. Das erklärt, weshalb etwa FCB-Shootingstar Zeki Amdouni nicht aufgeführt wird – er hat bereits seine zweite vollständige Spielzeit als Schlüsselspieler in der Super League absolviert und war vor seinem Wechsel nach Basel bereits bei Lausanne-Sport Leistungsträger.

BSC Young Boys: Aurèle Amenda (19) – das Ausnahmetalent

Seit geraumer Zeit gilt Aurèle Amenda als aufgehender Stern am Schweizer Nachwuchsfirmament. In der abgelaufenen Saison hat der physisch starke Innenverteidiger den nächsten Schritt genommen und sich in der 1. Mannschaft der Young Boys etabliert. Gegen Ende der Rückrunde war Amenda in der Viererkette neben Cédric Zesiger gesetzt und trug damit viel zum Double-Gewinn bei. Als Lohn für seine tolle Entwicklung wurde Amenda in den EURO-Kader der Schweizer U21-Nationalmannschaft berufen.

Was ihn so stark macht, ist eine Kombination aus Körper, Defensivstärke und spielerischer Qualität. Mit einer Grösse von 1,94m, robustem Körperbau, gutem Tempo und langen Beinen bringt er physisch und athletisch beste Voraussetzungen mit, um eine Spitzenkarriere hinzulegen. Seine körperlichen Vorteile weiss Amenda denn auch zu seinem Vorteil einzusetzen – ligaweit gehört er in allen wichtigen Defensivmetriken zur absoluten Spitze, wie ein Blick auf die Statistik zeigt. In puncto „Gewonnene Luftduelle“ (97. Perzentile – bdt. besser als 97% aller anderen Innenverteidiger in diesem Bereich), „Gewonnene Defensivduelle“ (94. Perzentile) und „Abgefangene Bälle“ (94. Perzentile) kann ihm kaum ein anderer Verteidiger das Wasser reichen.

Ein moderner Innenverteidiger muss sich aber nicht nur in Zweikämpfen durchsetzen können, sondern sollte auch spielerische Fähigkeiten mitbringen. Auch hier weist Amenda überdurchschnittliche Werte auf. In den Bereichen „Angekommene Lange Bälle“ (92. Perzentile) und „Progressive Pässe“ (89. Perzentile) gehört er wiederum zur Ligaspitze. Bedeutet: Amenda bringt dank präzisen weiten Zuspielen und vielen raumgewinnenden Pässen auch spielerischen Mehrwert mit. Sowohl rein defensiv als auch fussballerisch sticht der gebürtige Bieler mit sehr starken Werten hervor. Besonders für einen jungen Spieler, der erst 26 Profi-Einsätze auf dem Buckel hat, ist das äusserst beeindruckend. Zahlen lügen nicht – vielmehr unterstreichen sie Amendas grosses Talent und die gehobene Qualität, die er jetzt schon mitbringt. Ohne Frage: Aurèle Amenda zählt zu den grössten Entdeckungen der letzten Saison – und zu den grössten Schweizer Versprechen für die Zukunft.

Mehr zu Amenda hier.

Servette FC: Chris Bedia (27) – der lang ersehnte Goalgetter

Im Winter vor einem Jahr aus Charleroi als Kyei-Ersatz verpflichtet, ist Chris Bedia in seiner ersten vollständigen Saison in der Super League richtiggehend durchgestartet. Obwohl er aufgrund von Verletzungen nur 48% aller Spielminuten absolvieren konnte, krönte er sich mit 12 Treffern zum mannschaftsinternen Top-Torschützen. Der Ivorer zeichnet sich durch einen bulligen Körper, brachiale Durchschlagskraft und Zielstrebigkeit vor dem Tor aus. Servette wartet seit geraumer Zeit auf einen Torgaranten im Sturm – Bedia kommt diesem so nahe wie seit Jean-Pierre Nsame kaum mehr jemand.

Auch in Bedias Fall sind statistische Auffälligkeiten festzustellen. Nicht nur ist er für einen Mittelstürmer erstaunlich passsicher (94. Perzentile im Bereich „Angekommene Kurz- & Mittellange Pässe) sondern arbeitet auch defensiv erfolgreich mit (74. Perzentile im Bereich „Gewonnene (Defensiv-) Luftduelle“). Aber auch seine Kernkompetenz, das Erzielen von Toren, wird statistisch adäquat widerspiegelt. Da wären einerseits seine guten Laufwege in den Strafraum: Bedia kommt so häufig wie nur wenige andere in gute Abschlusspositionen (90. Perzentile für „Non-Penalty-xG“). Andererseits muss auch die hohe Qualität seiner Abschlussversuche hervorgehoben werden (97. Perzentile für „Non-Penalty-xG pro Schuss“). Addiert man seine bemerkenswert hohe Zielgenauigkeit dazu (94. Perzentile bei „Schüsse aufs Ziel“), erhält man einen Stürmer, der für Super-League-Verhältnisse überdurchschnittlich viel Torgefahr erzeugt – und ergo das Zeug zum Goalgetter hat.

Insgesamt bringt Bedia ein sehr spannendes Profil mit, das eigentlich auch im Ausland für Interesse sorgen sollte. Körperlichkeit, spielerische Qualität und ausserordentliche Fähigkeiten in der Box machen aus ihm einen sehr kompletten Angreifer, der für Servette auch in der kommenden Saison auf dem Weg in eine Europacup-Gruppenphase eine Schlüsselfigur sein wird.

FC Lugano: Ignacio Aliseda (23) – Argentinischer Alleskönner

Genau wie Bedia, kam auch Ignacio Aliseda im Winter 2022 in die Schweiz. Nach schwierigen ersten Monaten stieg er im Verlauf der Saison 2022/23 zu einem der besten Offensivspieler der ganzen Liga auf. Der spielfreudige Argentinier ist mit einer Grösse von nur 1,69m zwar kleingewachsen, besticht dafür aber mit hoher Geschwindigkeit, Mobilität und feinen technischen Fähigkeiten. Er wuselt sich trickreich und frech durch die Abwehrreihen und sucht den Abschluss oder den letzten Pass. Auf diese Weise registrierte Aliseda in der abgelaufenen Saison in Liga und Cup starke 17 Scorerpunkte (13 Tore, 4 Vorlagen) und hat sich auf den Radar ausländischer Vereine gespielt.

Bemerkenswert sind bei einem Blick auf sein Datenprofil mehrere Werte: Ins Auge sticht seine Qualität im Passspiel – kein anderer Flügel spielt präzisere kurze, mittellange und lange Pässe als Aliseda. Das macht ihn zu einem ungemein wichtigen Faktor in Luganos Spielaufbau und Chancenkreation. Weitere tolle Werte weist er in den Bereichen „Erfolgreiche Dribblings“ (80. Perzentile) und „Beschleunigungen mit Ball“ (73. Perzentile) auf. Diese beiden Faktoren sind elementare Bestandteile seines Profils – schneller Antritt mit Ball und gleichzeitiges Umkurven von Gegenspielern. Auf genau diese Weise kann er mit Einzelaktionen Löcher reissen, Chancen kreieren und den Unterschied ausmachen.

Aliseda kann aber nicht nur sehr gut sprinten, dribbeln und passen, sondern hat auch grosse Qualitäten vor dem Tor. Er läuft überdurchschnittlich oft in gute Abschlusspositionen (87. Perzentile für „Non-Penalty-XG“), zieht überdurchschnittlich oft ab (80. Perzentile für „Schüsse“) und ist dabei so zielgenau, wie kein anderer Flügel in der Liga (100. Perzentile für „Schüsse aufs Ziel“). Unter dem Strich bietet Aliseda ein qualitativ hochwertiges Gesamtpaket auf dem linken Flügel – Geschwindigkeit, Dribbelstärke, Passqualität und hohe Torgefahr. Kein Wunder, gibt es Interessenten aus den grossen Ligen.

FC Luzern: Ismajl Beka (23) – aus der Promotion League in die Conference League

Die wohl unwahrscheinlichste Entdeckung dieser Liste ist er: Ismajl Beka, linksfüssiger Innenverteidiger aus Frauenfeld. Bis vor einem Jahr stand er beim FC Rapperswils-Jona in der drittklassigen Promotion-League unter Vertrag. Im letzten Sommer wechselte er zum FC Wil und von dort nach wenigen Wochen direkt weiter in die Super League zum FC Luzern. Im Nachhinein darf man den Luzerner Scouts für diesen Transfer ein Kränzchen winden. Beka hat sich als wahres Schnäppchen herausgestellt und stieg in der Rückrunde wider Erwarten zum unbestrittenen Stammspieler auf.

Was Beka speziell macht, sind drei verschiedene Faktoren: Einerseits ist er wie bereits erwähnt Linksfuss – eine unglaublich nachgefragte Eigenschaft auf dem Innenverteidiger-Markt. Des Weiteren misst Beka ganze 1,97m und verfügt über lange Beine, die im Zweikampf sehr nützlich sind. Und schliesslich zeichnet er sich durch eine besondere Härte und Kompromisslosigkeit aus, viele Tacklings und Grätschen gehören bei ihm zum Standardprogramm. In diesem Bereich liegen denn auch seine grössten Stärken, wie die Daten untermauern. In den Metriken „Tackles“ und „Defensiv Aktionen“ gehört Beka unter den Super-League-Innenverteidigern als 100. Perzentile zur absoluten Spitze. Auch in der Luft ist er dank seiner Grösse extrem dominant, wie der Bereich „Gewonnene Luftduelle“ (94. Perzentile) zeigt. Mit seinen langen Beinen eignet sich Beka ausserdem ideal als Balldieb – die 97. Perzentile bei den „Abgefangenen Bällen“ unterstreicht dies.

Beka hat defensiv aber auch noch Luft nach oben: Im Bereich „Gewonnene Defensivduelle“ ist er „nur“ in der 58. Perzentile vertreten. Für einen Innenverteidiger mit seinen körperlichen Voraussetzungen ist das zu wenig. Hier fehlt es teilweise an der körperlichen Robustheit, die bspw. ein Amenda eher mitbringt. Wieder oben aus schwingt Beka hingegen spielerisch. Er setzt mit dem Ball am Fuss immer wieder zu Läufen an und verleiht dem Spiel seiner Mannschaft so Progressivität (89. Perzentile für „Beschleunigungen mit Ball“ und 83. Perzentile für „Progressive Carries“). Gleiches gelingt ihm durch vertikale Zuspiele, dank denen der FCL immer wieder Raumgewinn verzeichnen kann (75. Perzentile für „Progressive Pässe“). Auch wenn er in gewissen Bereichen noch Luft nach oben hat, ist Bekas Debütsaison in der Super League eindrücklich gelungen. Innerhalb von einem Jahr hat es der Ostschweizer aus der Promotion League in die Conference-League-Quali geschafft. Hut ab!

FC Basel: Andy Diouf (20) – ein neuer Millionenverkauf

Die Transferstrategie des FC Basel ist mittlerweile hinreichend bekannt: Junge Spieler entwickeln und dann für viel Geld weiterverkaufen. Gelegentlich landet der FCB so einen echten Volltreffer. In diese Kategorie darf Andy Diouf ohne Zweifel gezählt werden. Der Franzose wechselte im letzten Sommer von Stade Rennes ans Rheinknie und hat sich im Nu als Fixpunkt im Mittelfeld etabliert. Als Box-to-Box-Spieler fungierte Diouf als Scharnier zwischen Angriff und Verteidigung und bestach dabei mit viel Drive, Körperlichkeit und Übersicht. Auch auf europäischer Bühne war er ein Unterschiedsfaktor, trotz Halbfinal-Aus wurde Diouf zum „Young Player of the Season“ in der Conference League gewählt.

Ein Blick auf sein Datenprofil offenbart grosse Qualitäten in der Transition zwischen Defensive und Offensive – sprich in genau jenem Bereich, der von einem Achter beackert wird. In den Bereichen „Progressive Carries“ (95. Perzentile) und „Beschleunigung mit Ball“ (100. Perzentile) gehörte Diouf in der abgelaufenen Saison zur absoluten Spitze unter den zentralen Mittelfeldspielern in der Liga. Bedeutet: Kaum ein anderer Spieler konnte den Ball so effektiv durchs gegnerische Mittelfeld tragen wie er. Ein weiterer wichtiger Bestandteil seines Spiels zeigt sich im Passspiel. Auch in der Metrik „Smart Passes“ (90. Perzentile) ist Diouf ganz vorne anzutreffen. Nach seinen raumgewinnenden Läufen folgt oft ein Steck- oder Schnittstellenpass, wodurch direkte Torgefahr entsteht. Seine Bedeutung für die Chancenkreation des FCB in dieser Saison war dementsprechend sehr gross.

Diouf hat nun seine erste vollständige Profisaison absolviert. Logisch also, dass er in gewissen Bereichen noch Raum zur Verbesserung hat. Neben Präzision im Passspiel hapert es auch noch im Strafraum. Kein einziger Treffer in der Super League wollte ihm in der abgelaufenen Saison gelingen. Aufgrund seiner athletischen Vorzüge und seiner Qualität im Transitspiel, stehen die Interessenten aus grossen Ligen aber trotzdem Schlange. Aktuell führt eine heisse Spur zum französischen Vizemeister RC Lens. Dass Diouf auch in der kommenden Saison noch für Rot-Blau spielen wird, ist ausgeschlossen. Immerhin dürfte der FCB mit einem saftigen Millionenerlös entschädigt werden.

Augen offen halten für Teil 2!

Share the Post: