Grosse Zukunft? Das sind die Challenge-League-Shootingstars der ersten Saisonhälfte

Die Challenge League hat im Laufe der Zeit viele grosse Namen hervorgebracht. Dass im Schweizer Unterhaus Talent schlummert, ist daher keine Neuigkeit. Auch aktuell sind dort einige spannende Spieler zu finden. Wir präsentieren die besten aufstrebenden Youngster der ersten Saisonhälfte.

10 der 24 im November aufgebotenen Schweizer Nationalspieler haben ihre Karriere einst in der Challenge League lanciert. Dazu gehören etwa Manchester-City-Star Manuel Akanji oder Bologna-Wirbelwind Dan Ndoye. In vielen Fällen kann die zweithöchste Schweizer Liga ein Sprungbrett für eine erfolgreiche Laufbahn sein. Und das nicht nur für Spieler mit dem Schweizerkreuz im Pass. Auch diverse ausländische Talente haben via Challenge League den Schritt nach oben geschafft. In dieses Raster gehören etwa Archie Brown, der in diesem Sommer von Lausanne-Sport nach Gent gewechselt ist, oder Toti Gomes, der nach seinem GC-Stint mittlerweile in der Premier League bei den Wolves regelmässig zum Einsatz kommt.

Archie Brown, seit Sommer bei Gent unter Vertrag, ist ein perfektes Beispiel für einen ausländischen Spieler, der via Challenge League den Durchbruch geschafft hat.

Auch aktuell gibt es zahlreiche spannende junge Spieler, die in der Challenge League auf sich aufmerksam machen. Wir präsentieren: die besten Youngster dieser Saison.

Franck Surdez (21, Xamax) – die heisseste Aktie der Liga

Er ist der Shootingstar schlechthin in dieser Saison: Franck Surdez, Xamax-Eigengewächs und Schweizer U21-Nationalspieler. Satte 14 Scorerpunkte (7 Tore, 7 Vorlagen) in 17 Einsätzen verzeichnet der Linksaussen bis zur Winterpause, ist damit an 52% aller Xamax-Treffer direkt beteiligt. Surdez‘ steile Entwicklung wurde jüngst auch von der SFL honoriert, die ihn für die Wahl des besten Challenge-League-Spielers 2023 nominiert hat. Grossen Anteil an seinem Durchbruch hat Trainer Uli Forte, der im Frühling das Zepter in Neuenburg übernommen hat. Unter seiner Führung hat Surdez in kurzer Zeit grosse Fortschritte erzielt und ist zum wichtigsten Spieler des Teams aufgestiegen. «Er ist top. Absolut top», drückt es Forte gegenüber Blick aus. Und damit hat er nicht Unrecht.

Surdez ist zwar auf dem Flügel beheimatet – ist aber ein Alleskönner. Er vereint Grösse (1,88m) mit Leichtfüssigkeit und Agilität, ist dazu explosiv im Antritt und effizient im Dribbling. Er kann mit Tempo die Tiefe attackieren oder mit dem Ball am Fuss mit viel technischen Flair im Eins-gegen-Eins Lücken reissen. Auch spielerisch hat er viel drauf: Seine Intelligenz und seine Kreativität sind aussergewöhnlich, seine Flankenläufe gefürchtet. Spiel für Spiel kreiert Surdez Top-Chancen für seine Teamkollegen. Auch statistisch wird das untermauert: Kein anderer Challenge-League-Spieler liefert so viele Schlüsselpässe wie er. Surdez kann aber nicht nur auflegen, sondern auch selber verwerten – und das teilweise hochspektakulär. So zeigt sich seine grosse technische Klasse nicht nur im Dribbling, sondern auch im Abschluss.

Trotz schmaler Statur ist er dank exzellenter Körperspannung und viel Biss auch defensiv stabil, was U21-Nationaltrainer Sascha Stauch gar schon dazu gebracht hat, ihn als Aussenverteidiger aufzustellen. In dieser neuen Schweizer U21-Generation ist Surdez, genau wie im Verein, ein wichtiges Element. 4 Assists steuerte er bereits in der EM-Qualifikation bei, ist damit bester Vorlagengeber des Teams. All das macht Surdez in Summe zur heissesten Aktie der Challenge League. Und verleiht im das Potential für eine internationale Karriere. Schon jetzt gibt es Interesse von Klubs aus Italien, Frankreich und Belgien. Ein Wechsel in die Super League wäre aber der sinnvolle Zwischenschritt.

Zachary Athekame (19, Xamax) – das rohe Energiebündel

Surdez ist nicht das einzige Juwel in Neuenburg. Auch sein Teamkollege Zachary Athekame, ein Rechtsverteidiger, verdient dieses Prädikat. Auch er ist unumstritten gesetzt und ist ebenso Teil der neuen Schweizer U21-Generation. Athekames Werdegang ist sehr speziell: Anders als heute üblich, ist der Genfer kein (reines) Akademie-Produkt. Ähnlich wie Zeki Amdouni arbeitete er sich nämlich via Breitenfussball nach oben. Seine fussballerische Ausbildung absolvierte er bei Olympique Genève (2. Liga Interregional), dann landete er nach einem kurzen Abstecher in die U16 von Servette bei Meyrin (1. Liga Classic). Dort wurde Athekame schliesslich von Xamax-Scouts entdeckt und in die überregionale U18 des Team BEJUNE (Bern, Jura, Neuenburg) integriert. Und nach nicht mal einem Jahr bereits in die 1. Mannschaft hochgezogen, wo er mittlerweile zu den wichtigsten Spielern zählt.

Dass Athekame einen anderen Karriereweg hinter sich hat, ist offensichtlich. Der junge Aussenverteidiger wirkt in vielen Aspekten noch sehr roh und ungezähmt. Das ist eine Stärke. Denn dank dieser Rohheit ist Athekames Spielstil von enormer Intensität und Unerschrockenheit geprägt. Er stürzt sich ohne Furcht in Duelle, versucht Dinge, tobt sich auf dem Platz aus. Sein Werdegang kann aber auch eine Schwäche sein, denn gewisse technische (Sauberkeit, Präzision) und taktische Mängel sind nicht von der Hand zu weisen. Bei einer herkömmlichen Akademie-Ausbildung wäre er in diesen Bereichen «glattgestriegelt». Noch ist es aber nicht zu spät, an diesen Schwächen zu arbeiten. Zu viel bearbeitet werden sollte Athekame aber auch nicht. Denn es ist genau diese Wildheit, die sein Spiel prägt und die ihn zu einem schwer auszurechnenden Gegner macht.

Seine rohe Energie in Zweikämpfen, seine furchtlosen Tacklings und seine frechen offensiven Vorstösse und Dribbel-Läufe sind eine Waffe und machen ihn zu einem spektakulären Aussenverteidiger. Athletisch hat Athekame überdies alle Anlagen für eine Karriere auf hohem Niveau. Er ist muskulös, robust und trotzdem extrem explosiv auf den ersten Metern, auch seine Endgeschwindigkeit ist hervorragend. Dazu bringt er eine ihm eigene, rohe Dynamik mit. Dank langen Beinen und hohem Laufeinsatz ist er als Balleroberer und Umschaltspieler bestens geeignet. Setzt er der Aussenlinie entlang zu seinen Sprints an, ist Unterhaltung vorprogrammiert. Ab Sommer 2024 wird er sein Talent im Wankdorf unter Beweis stellen. Ende Dezember verkündet YB den Transfer. Ein hochinteressanter, aber grosser nächster Schritt für Athekame.

Daniel Dos Santos (20, FC Thun) – der Freigeist

Von einem U21-Nationalspieler zum nächsten: Auch Daniel Dos Santos gehört seit diesem Herbst der neu zusammengesetzten U21-Nati an. Und hat dort bereits seine Spuren hinterlassen. Im letzten EM-Quali-Spiel des Jahres gegen Rumänien war er es, der der Schweiz kurz vor Schluss mit einer hervorragenden Einzelaktion ein 2:2-Unentschieden rettete. Anders als Surdez und Athekame ist der Berner Oberländer mit portugiesischen Wurzeln, der in Interlaken aufgewachsen ist, in der Challenge League seit Jahren ein bekannter Name. Er debütierte im Februar 2021 für die 1. Mannschaft des FC Thun – und hat sich seither im offensiven Mittelfeld Schritt für Schritt zu einem Unterschiedsspieler entwickelt.

Insgesamt bringt es Dos Santos bereits auf 84 Einsätze in der Challenge League, erzielte dabei starke 28 Scorerpunkte (20 Tore, 8 Vorlagen) – ein sehr guter Wert. Seine Entwicklung verläuft stetig weiter nach oben, er wird besser und besser. In dieser Saison ist er in der Offensive des FC Thun zum mittlerweile wichtigsten Spieler aufgestiegen, seine Ausbeute von 7 Treffern bedeutet schon jetzt persönlicher Rekord. Genau wie Surdez wurde auch Dos Santos für den Titel des besten Spielers der Liga nominiert. Der dritte Nominierte, Aaraus Valon Fazliu, hat aufgrund eines schwächeren letzten halben Jahres nur Aussenseiterchancen. Der Titel dürfte also an einen der beiden Jungspunde gehen. Ein tolles Zeichen für die Nachwuchsarbeit der Schweizer Zweitliga-Vereine.

Zurück zu Dos Santos: Was ihn so besonders macht, ist nicht nur sein starker Output. Sondern vor allem das, was er als Spieler verkörpert. Er ist ein Künstler, ein Freigeist hinter der Spitze, der mit technischer Klasse und Spielwitz den Unterschied ausmachen kann. Überragende Fertigkeiten am Ball, freche Finten und herrliche Tore gehören zu seinem Programm. Anders als viele andere Zauberfüsse ist Dos Santos auch athletisch gut gerüstet, ist agil und spritzig, verfügt ausserdem über beachtliches Tempo. Dazu ist er gegen den Ball diszipliniert und giftig, kann also auch in Duellen dagegenhalten. In Kombination ergibt das einen modernen Zehner, der dem Zuschauer mit seinem Flair und seiner Kunst am Ball Freude bereitet. Einer, für den man ins Stadion geht. Und dessen Weg in naher Zukunft in die Super League führen wird.

Christian Gomis (23, Nyon) – der unwahscheinliche Aufstiegsheld

Die wohl grösste Überraschung dieser ersten Saisonhälfte ist Stade Nyonnais. Der Aufsteiger aus dem Waadtland steht nach der Hinrunde auf dem 3. Platz, vor Aufstiegsaspiranten wie dem FC Aarau oder Xamax. Im Sommer kehrte Nyon nach 11 Jahren im Amateurbereich in den Schweizer Profifussball zurück – auch dank ihm, Christian Gomis. Der Flügelstürmer trug in der letzten Spielzeit 14 Treffer zum Aufstieg bei. Und hat nun den Übertritt aufs höhere Level in der Challenge League ohne Anpassungsschwierigkeiten gemeistert. 5 Scorerpunkte (4 Tore, 1 Vorlage) stehen bislang zu Buche. Man könnte auch andere Spieler aus dem überraschend starken Nyon-Kollektiv hervorheben, etwa der defensive Mittelfeldspieler Diogo Carraco, der variable Angreifer Tiago-Marti Escorza oder Rechtsverteidiger Luca Gazzetta. Aber Gomis sticht aus der Nyon-Offensive besonders hervor. Auch wegen seiner besonderen Geschichte.

Denn dass er überhaupt einmal im Schweizer Spitzenfussball spielen würde, entbehrt eigentlich jeder Wahrscheinlichkeit. Geboren im Senegal, zog er mit seiner Familie nach Spanien. Dort wuchs er in bescheidenen Verhältnissen in Almeria auf. Er begann mit dem Fussball bei kleinen Regionalvereinen, ehe er 2015 als Teenager in die Schweiz übersiedelte, nach La Chaux-de-Fonds. Auch hier suchte er sofort nach Möglichkeiten, um Fussball zu spielen. Und erregte nach einem Parcours durch den Amateurbereich die Aufmerksamkeit des Team BEJUNE. Nach nur einem Jahr gings für ihn dort aber nicht mehr weiter – und so setzte er seine Reise durch den Westschweizer Regionalfussball fort. Eine Reise, die ihn 2022 schliesslich in die Promotion League zu Nyon führte. Wo er nun nicht nur zu einem Profifussballer gereift ist, sondern auch zu einem echten Unterschiedsspieler in seiner Mannschaft.

Gomis ist ein kraftvoller, dynamischer Aussenbahnspieler. Meist über den linken Flügel kommend, sorgt er mit Geschwindigkeit und Spielfreude für viel Betrieb. Athletisch bringt er tolle Voraussetzungen mit: Neben dem angesprochenen Tempo gehört auch ein robuster Körperbau und eine gute Balance dazu. Mit viel Überzeugung stürzt sich Gomis in Duelle, sucht das Eins-gegen-Eins und verleiht Nyons Spiel sowohl Breite als auch Tiefe. Ähnlich wie Athekame, ist auch ihm eine gewisse Rohheit nicht abzusprechen. Zwar nicht im technischen Bereich, hier ist er einwandfrei. Sondern vielmehr in der Art und Weise, wie er auftritt: ungestüm, furcht- und teilweise ein wenig kopflos. Möglich, dass Gomis‘ unglaublicher Aufstieg noch weitergeht. Schon jetzt sollen mehrere Klubs aus der Super League ihre Fühler ausgestreckt haben.

Isaac Pappoe (20, FC Aarau) – die Entdeckung

Der FC Aarau erlebt (einmal mehr) eine enttäuschende Saison. Und das, obwohl seit diesem Sommer einer der spannendsten Spieler der Liga für den FCA aufläuft. Die Rede ist von Isaac Pappoe, der sich im Eiltempo zum Dreh- und Angelpunkt im Mittelfeld aufgeschwungen hat. Der junge Ghanaer wechselte aus der 2. Liga Israels in die Challenge League. Und hat sich dort ohne Anlaufschwierigkeiten einen Platz in der Startelf erkämpft. Sämtliche der letzten sieben Partien bis zur Winterpause bestritt er über die volle Distanz, registrierte insgesamt 3 Scorerpunkte (1 Tor, 2 Vorlagen). Seit diesem Jahr ist Pappoe U20-Nationalspieler Ghanas – möglich, dass er auch langfristig eine Option für die «Black Stars» ist.

Denn als moderner Box-to-Box-Spieler bringt Pappoe ein Profil mit, das ihn sehr interessant macht: In jeder Zone des Spielfelds ist er präsent, kann überall etwas beitragen. Defensiv etwa gefällt Pappoe als starker Zweikämpfer und aufsässiger Balljäger. Im Aufbau besticht er mit hoher Spielintelligenz, direktem, progressiven Passspiel und guter Übersicht. Und in der letzten Zone ist er als laufstarker Pressing-Spieler und als Unterstützung im Strafraum wertvoll. Pappoe ist explosiv, durchbricht gegnerische Linien mit hoher Dynamik und verlagert das Spiel der Aarauer mit Steckpässen in die Gefahrenzone. Auch selber dringt er gerne in die Box ein, sucht Abschlüsse und stiftet Unruhe.

Was besonders auffällt, ist Pappoes Schnelligkeit in jedem Aspekt seines Spiels. Nicht nur ist er schnell im herkömmlichen Sinne. Er ist auch schnell im Kopf, entscheidet blitzschnell (und oft richtig), hat Zug im Passspiel. All das spricht für eine sehr hohe Cleverness und ein Spielverständnis, das nicht jeder hat. Trotz Dynamik und positiver «Hektik», die er ausstrahlt, ist Pappoe technisch sauber und extrem präzis im Aufbau. Alles, was er tut, hat Hand und Fuss. Klar, dass man sich in Aarau sofort in ihn verliebt hat. Leider, aus Sicht des FCA, dürfte er wohl nicht allzu lange auf dem Brügglifeld bleiben. Denn nach dieser starken Vorrunde wird sein Name längst nicht mehr nur in der Challenge League diskutiert…

Weitere spannende Spieler:

  • Liam Chipperfield (19, Sion)
  • Théo Golliard (21, Vaduz)
  • Fabrizio Cavegn (21, Vaduz)
  • Ihsan Sacko (26, Thun)
  • Justin Roth (21, Thun)
  • Malik Sawadogo (20, Nyon)
  • Aaron Appiah (20, Wil)
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