In Italien spielt sich derzeit ein unbekannter junger Schweizer ins Rampenlicht. Bolzplazz hat den früheren Servette-Junior Natan Girma zu einem kurzen Interview getroffen.
97 Schweizer Spieler mit Jahrgang 2000 oder jünger suchen im Ausland nach ihrem Glück. Eine Übersicht zu all diesen jungen Spielern liefern wir in unserer interaktiven Karte hier. Einer dieser Spieler ist Natan Girma. Der 21-jährige offensive Mittelfeldspieler aus Lausanne spielt seit diesem Sommer in der Serie B für Aufsteiger AC Reggiana, einem traditionsreichen Verein aus der Emilia-Romagna. Und das mit Erfolg: Girma hat sich schnell einen Platz im erweiterten Stamm erobert, hat zudem in der Coppa Italia und in der Liga bereits je einmal getroffen.
Sein Profil ist interessant – und durchaus speziell. Der Waadtländer ist rund 1,90m gross, gelenkig und sehr beweglich. Aufgestellt werden kann er zentral hinter der Spitze oder auf dem Flügel. Er bringt viel Agilität und Leichtfüssigkeit mit, gepaart mit hoher Geschwindigkeit und Qualitäten im Eins-gegen-Eins. So entkommt er gegnerischem Druck und kann Löcher reissen. Diese Kombination aus Technik und Mobilität sieht man bei Spielern seiner Statur selten.
Girma ist noch sehr roh, wirkt aber furchtlos und sehr direkt, verfügt ausserdem über einen starken rechten Fuss. Ohne Umschweife attakiert er die Tiefe und sucht stets den Vorwärtsgang – sei es durch eigene Läufe mit dem Ball am Fuss durchs gegnerische Mittelfeld oder vertikale Zuspiele. Spielerisch ist er immer für überraschende Aktionen gut. Diese erfrischende, teilweise etwas wilde Unberechenbarkeit dürfte das Resultat seines speziellen Werdegangs sein.
Ein unkonventioneller Weg zur Profikarriere
Genau dieser nicht alltägliche Werdegang zeigt aber, dass auch unkonventionellere Wege in den Profifussball führen können. In seiner Heimatstadt Lausanne spielte er als Jugendlicher für Teams aus dem Breitensport, u.a. Dardania Lausanne. Eine fundierte Ausbildung in einem Nachwuchsleistungszentrum durchlief er dort nie. Das erklärt seine «rohe» Spielweise, die in vielen Situationen ein Vorteil ist.
Erst sehr spät trat Girma überhaupt einer Akademie bei, 2019 wechselte er von Dardania in die U18 von Servette. Nach zweieinhalb Jahren in Genf entschloss er sich aber im Sommer 2021 zu einer radikalen Veränderung. Im Alter von 19 Jahren packte Girma all seine Sachen und verliess die Schweiz in Richtung Italien. Sein erster Halt: Serie-D-Klub Sona aus der Provinz Verona.
Via Serie D ist Girma schliesslich bei Zweitliga-Aufsteiger Reggiana untergekommen – und träumt dort nach einem starken Beginn nun von mehr. Etwa von der Nati, wie er uns im kurzen Interview verrät.
Was war dein Motiv, Servette damals in Richtung Serie D zu verlassen?
Ich erkannte, dass es für mich in Servettes 1. Mannschaft keinen Weg nach oben gab und habe mich deshalb für eine Auslandserfahrung entschieden.
Dein Plan ist hervorragend aufgegangen – nun spielst du in der Serie B Profifussball. Was sind deine nächsten Karriereziele?
Das kann man so sagen. Aber der Weg war sehr hart, ich musste enorm viel dafür tun, um meine Fähigkeiten ins Blickfeld rücken zu können. In erster Linie geht es jetzt darum, in diesem Jahr möglichst viele Spiele zu bestreiten und die Ziele des Vereins zu erreichen. Was danach kommt, hängt von meiner Performance ab.
Wie kam dein Wechsel in die Sere B zu Reggiana zustande?
Nach Gesprächen mit meinem Agenten Gabriele La Manna nahm ich das Risiko auf mich, bereits im Winter nach Reggiana zu gehen – für sechs Monate konnte ich ohne Vertrag und ohne Garantien mittrainieren. Alles in der Hoffnung, dem Verein ins Auge zu stechen und mich für ein Arbeitspapier aufzudrängen. Dass es geklappt hat, verdanke ich Reggianas Sportdirektor Goretti. Er hat an mich geglaubt und gab mir die Chance, mich hier im Training zu beweisen.
Wie beschreibst du dich selber als Spieler?
Ich bin ein vielseitiger Spieler, ich kann auf allen Positionen im Mittelfeld eingesetzt werden und habe gar schon auf dem Flügel gespielt. Am wohlsten aber fühle ich mich im offensiven Mittelfeld, das ist die Rolle, in der ich meine Qualitäten voll ausspielen kann.
Wo siehst du deine grössten Stärken – und woran musst du noch arbeiten?
Ich bin ein Spieler, der gerne nach vorne prescht, der gerne den letzten Pass gibt, Tore erzielt und es liebt, zu dribbeln. Natürlich habe ich auch noch Schwächen, an denen ich im Training mit Trainer Nesta und dem gesamten Staff arbeiten muss. Etwa, dass ich 90 Minuten im Spiel eingebunden bin und stets konzentriert bleibe. Auch meine Arbeit ohne Ball und mein Kopfballspiel, bei dem ich meine Körpergrösse noch nicht ausreichend nutze, hat noch Luft nach oben.
Warst du bereits in Kontakt mit einem Verband?
Ich wurde von der Nationalmannschaft Eritreas kontaktiert, aber ich will in Zukunft die Schweizer Nationalmannschaft vertreten und träume davon, einmal ein wichtiger Spieler der Nati werden.