Super-League-Analyse zur Rückrunde 2021/22

Am Samstag 29.1.2022 rollt der Ball in der höchsten Schweizer Spielklasse wieder. Die anstehende Rückrunde verspricht so viel Spannung wie schon lange nicht mehr – sowohl im Meisterkampf, als auch im Tabellenkeller: Wir nehmen vor dem Rückrundenstart für alle 10 Super-League-Teams eine Standortbestimmung vor.

Ausgangslage:

FC Zürich

? Winnermentalität dank Breitenreiter

Vor Beginn der Saison hätten nur die wenigsten mit einem solchen Zürcher Höhenflug gerechnet. In den Vorjahren dümpelte der stolze FCZ unter Ludovic Magnin und Massimo Rizzo ohne funktionierende Spielidee in den hinteren Gefilden der Liga herum. Doch nach der Hälfte dieser Saison stehen die Limmatstädter mit einem satten Vorsprung von sieben Punkten auf dem ersten Tabellenplatz. André Breitenreiter versteht es, aus dem Kader das Maximum herauszukitzeln, seine Spieler individuell weiterzubringen und dem Team ein den eigenen Stärken entsprechendes System an die Hand zu geben.

Was aber fast noch wichtiger ist: Innert kürzester Zeit hat der ehemalige Bundesliga-Trainer das Team mental transformiert und ihm das so elementare „Sieger-Gen“ eingeimpft. Trotz Rückständen und teilweise schwächeren Auftritten vermochten die Zürcher konstant zu punkten. Vor der Winterpause reihte der Stadtclub so sechs Siege in Folge aneinander. Diese neuentdeckte Winnermentalität könnte den FCZ zu einem sensationellen Meistertriumph tragen…

? Einbruch der offensiven Überperformance

Stürmer Assan Ceesay (27) war in den vergangenen Jahren nicht wirklich als Goalgetter bekannt. Vielmehr dachten die Fans bei ihm zuerst an verstolperte Bälle und vergebene Chancen. In der Hinrunde hat sich das Blatt aber gewendet und der Gambier mischt mit 11 Super-League-Treffern ganz oben in der Torjägerliste mit. Er hat in der aktuellen Spielzeit gar öfters getroffen, als in seinen total fünf Saisons davor in der Schweiz zusammen. Auch Zehner und Kreativposten Antonio Marchesano (31) strömt extrem viel Torgefahr aus und befindet sich seit vergangenem Frühling in Höchstform.

Was aber Sorgen macht, ist die Tatsache, dass der FCZ gemäss Statistik mehr Tore erzielt, als er aufgrund der Qualität der herausgespielten Chancen eigentlich sollte. Ihre total 35.5 xG (erwartbare Tore) überperformten die Stadtzürcher mit 43 tatsächlichen Treffern deutlich. Dass Ceesay und co. in der Hinrunde also so oft trafen, hatte auch viel mit Glück zu tun. Meist gleicht sich eine Überperformance in einer bestimmten Statistik über die Saison hinweg wieder aus. Das bedeutet: Es wäre nicht verwunderlich, wenn die FCZ-Offensivmaschinerie in der zweiten Saisonhälfte nicht mehr so geschmiert läuft wie zuvor.

FC Basel

? Eine erfolgsversprechende Mischung

Seit David Degen als Präsident beim FCB amtet, verfolgen die Basler eine klare Philosophie. Viele junge Spieler mit hohem Wiederverkaufswert werden (meist leihweise) aus dem Ausland geholt. Mit den Winter-Transfers von Emmanuel Essiam (18), Noa Dundas (17), Noah Katterbach (20) und Albian Hajdari (18) wurde diese Strategie auch in dieser Wechselperiode verfolgt. Der eigene Nachwuchs muss dagegen eher etwas unten durch (mehr dazu:..). Die Liste an ausländischen Toptalenten im FCB-Kader ist lang und führt von Mittelfeldallrounder Wouter Burger (20) bis hin zum dynamischen Aussenverteidiger Tomás Tavares (20).

Das vorhandene Gesamtpotential des Teams ist zweifelsohne sehr gross. Beim FCB herrscht dank zahlreichen routinierten Akteuren eine verheissungsvolle Mischung in der Altersstruktur. Die wilden Youngster können ihre Unbekümmertheit und ihren Drive auf dem Feld ausleben, während die Erfahreneren für Ordnung und Stabilität sorgen. Michael Lang (30), Fabian Frei (33), Taulant Xhaka (30) und Valentin Stocker (32) sind nicht nur das nötige Gegengewicht zu all den jungen Talenten, sondern sie sorgen auch für das erforderliche Identifikationsgefühl bei den Fans. Dazu kommen mit Heinz Lindner (31) und Pajtim Kasami (29) zwei weitere Stammspieler, die der Mannschaft die nötige Qualität und Erfahrung verleihen. Dieser Mix aus Jugendlichkeit und Routine ist in der Super League einzigartig. Wächst das Team nun zusammen, blüht dem FCB eine erfolgreiche sportliche Zukunft.

? Beträchtlicher Substanzverlust

Die letzten Monate waren geprägt von Abgangsgerüchten um Arthur Cabral (23). Halb Europa war hinter dem Brasilianer her. Nun scheint sich Basel mit der AC Florenz über einen Transfer einig geworden zu sein. Dem Vernehmen nach lassen sich die Italiener den Ersatz für Starstürmer Dusan Vlahovic rund 16,5 Millionen Schweizer Franken kosten – offiziell bestätigt ist der Deal aber noch nicht. Neben seiner offensiven Lebensversicherung gab der FCB in dieser Winterpause aber noch weitere namhafte Spieler ab: Dribbelkünstler Edon Zhegrova (22) und Schweizer Nationalspieler Eray Cömert (23) kicken künftig in Top-5-Ligen, Jordi Quintilla (28) kehrt nach nur einem halben Jahr bereits wieder zum FCSG zurück. Verheissungsvolle Talente wie Julian von Moos (20), Adrian Durrer (20) und Afimico Pululu (22) gab man ebenfalls definitiv ab, daneben wurden die Nachwuchsspieler Yannick Marchand (21), Tician Tushi (20) und Carmine Chiappetta in die Challenge League verliehen.

Als Entschädigung für Zhegrova und Cabral erhalten die Basler natürlich eine schöne Summe, die teilweise auf dem Transfermarkt in adäquaten Ersatz reinvestiert werden dürfte. Trotzdem wird man Torjäger „King Arthur“ nicht eins zu eins ersetzen können. Auch die Abgänge von Zhegrova und Cömert hinterlassen Lücken in der Qualität des Kaders. Mit dem Anspruch, am Ende der Saison den Meisterpokal in den Händen zu halten und in der Conference League weit zu kommen, ist der Verlust von Cabral nur schwer vereinbar. Zwar sind die wirtschaftlichen Voraussetzungen für Neuzuzüge nun gegeben, doch diese werden Eingewöhnungszeit benötigen und ab März stehen neben der Meisterschaft auch harte Partien auf internationalem Parkett auf dem Programm. Von den drei Spitzenteams der Liga sind die Rot-Blauen notabene die einzigen mit Doppelbelastung – ein weiterer Nachteil neben dem Substanzverlust durch die Verkäufe.

BSC Young Boys

? Comebacks en Masse

Captain und Abwehrchef Fabian Lustenberger (33) konnte nach seinem Achillessehnenriss bereits Anfangs Dezember wieder mittun. Ebenfalls noch im alten Jahr feierte Neo-Nationalspieler Cédric Zesiger (23) seine Rückkehr. Die Verletzungshexe hatte es im Jahr 2021 definitiv nicht gut mit den Bernern gemeint. Neben den beiden genannten Defensivspielern kehren nach und nach auch weitere wichtige Akteure zurück. Der zweimalige Super-League-Torschützenkönig Jean-Pierre Nsame (28) sowie die beiden Nati-Stars Christian Fassnacht (28) und Ulisses Garcia (26) sollten in der Rückrunde wieder voll einsatzfähig sein. Das Comeback von Torwart David von Ballmoos (27) wird nach seiner Schulter-OP noch etwas Zeit in Anspruch nehmen, doch auch er wird im Verlaufe des Frühlings wohl wieder zwischen den Pfosten stehen – ausserdem hat Spycher mit Anthony Racioppi (23) für vorzüglichen Ersatz gesorgt.

Dank den zahlreichen Rückkehrern gewinnt das Team von David Wagner in allen Bereichen an Qualität. Der Coach kann – mit Ausnahme von Sturmtank Wilfried Kanga (23) – fast wieder aus dem Vollen schöpfen, was dem Team einen ordentlichen Boost für das neue Jahr geben dürfte. Die Abgänge der Stammspieler Silvan Hefti (24) und Michel Aebischer (25) können intern aufgefangen werden, die Integration der jungen Nachwuchsspieler Aurèle Amenda (18), Lewin Blum (20) und Nico Maier (21) verleiht dem Trainerteam zudem zusätzliche Möglichkeiten.

? Das Gefühl der Sättigung

Nachdem über Jahrzehnte der Begriff „Veryoungboysen“ wie ein Damoklesschwert über Bern schwebte, änderte 2018 der erste Meistertitel seit 32 Jahren alles. Nach acht Jahren der Basler Dominanz wurde YB zum neuen Krösus im Schweizer Fussball und konnte im letzten Sommer schon zum vierten Mal nacheinander den Pokal in die Höhe stemmen. Im aktuellen Kader der Berner verteilen sich sagenhafte 55 gewonnene Meistertitel auf 23 Akteure. Der Grossteil der derzeitigen Spieler kennt das Gefühl, mit YB am Ende der Saison zuoberst zu stehen. Mit von Ballmoos, Fassnacht, Ngamaleu, Sulejmani und Nsame gibt es gar fünf Spieler, die bei allen vier Erfolgen beteiligt waren.

Auch wenn dies in Interviews natürlich stets verneint wird, kann nach einer solch erfolgreichen Periode, inklusive zweimaliger Teilnahme an der Champions League, ein gewisses Gefühl der Sättigung nicht ignoriert werden. Mit der Anstellung David Wagners wollte die YB-Führung dem entgegenwirken und neue Impulse setzen. Noch ist der Plan mit Blick auf die Tabelle in der Liga nicht aufgegangen – und die Sättigung könnte für die erfolgsverwöhnten Berner zum Stolperstein werden.

FC Lugano

? Frischer Wind trifft auf Erfahrung

Bereits seit einigen Jahren besticht Lugano als eingeschweisstes Kollektiv ohne wirklichen Starspieler und mit einem äusserst soliden Defensivverbund. In den 18 Spielen der Hinrunde blieb man fünfmal ohne Gegentreffer ­– geteilter Bestwert mit dem FC Zürich. Auch unter dem jungen Trainer Mattia Croci-Torti bleibt der typische Ansatz in den Grundzügen gleich, obwohl er einen leicht aktiveren Fussball spielen lässt. Dies hat in der Hinrunde hervorragend funktioniert. Der FC Lugano stellte in der vergangenen Halbserie mit 28,4 Jahren durchschnittlich die älteste Mannschaft der ganzen Liga. Diese enorme Routine dank Spielern wie Jonathan Sabbatini (33), Reto Ziegler (36) oder Mijat Maric (37) wird den Luganesi auch im neuen Jahr in engen Duellen zu wichtigen Punkten verhelfen.

Seit der Übernahme des Vereins durch US-Milliardär und Chicago-Fire-Besitzer Joe Mansueto ist plötzlich viel Geld verfügbar. In diesem Winter wurde ein Teil davon in äusserst spannende Akteure wie Ignacio Aliseda (21), Maren Haile-Selassie (22) oder Adrian Durrer (20) investiert. Die beiden temporeichen Flügel und der defensive Mittelfeldspieler sind allesamt entwicklungsfähig und bieten dem Coach mehr Optionen. Auch der im Sommer verpflichtete Algerier Mohamed Amoura (21) oder U21-Nati-Goalie Amir Saipi (21) haben ihr grosses Potential bereits angedeutet und dürften nun immer wichtiger für Lugano werden. Zum bestehenden Fundament aus viel Erfahrung und Cleverness kommt mit den Zuzügen also neuer Schwung und jugendliche Unbekümmertheit ins Team.

? Fehlender Torjäger

Schaut man sich die offensiven Statistiken der Vorrunde an, steht Lugano in keinem Abschlusswert sonderlich gut da. Doch eigentlich reicht auch schon ein Blick auf die Torschützenliste, denn bis endlich ein Spieler des FC Lugano auftaucht, muss man sehr lange nach unten scrollen. Toptorschütze des Vereins ist nicht etwa ein Angreifer, sondern Innenverteidiger Reto Ziegler mit 4 Treffern. Die Hälfte davon erzielte er vom Penaltypunkt aus. Mit je 3 Ligatreffern folgen dahinter der zu Luzern abgewanderte Asumah Abubakar (24), Mattia Bottani (30) und Zan Celar (22).

Es verwundert also nicht, dass die Luganesi von den Top-6-Mannschaften mit Abstand am wenigsten Tore erzielt haben. Obwohl die Bianconeri noch selten für Torspektakel bekannt waren, sind 25 Treffer in 18 Partien doch eher mager. Schon letzte Saison war Mattia Bottani mit nur 6 Toren teamintern der treffsicherste Mann. Trotz der erfolgreichen Hinrunde ist das Fehlen eines eiskalten Goalgetters nicht von der Hand zu weisen. Mit dem 18-jährigen Nikolas Muci steht immerhin ein Schweizer Toptalent im Kader, dem die Zukunft im Sturm gehören könnte. Allerdings wird er noch Zeit benötigen. Entweder den Verantwortlichen rund um Georg Heitz gelingt bis Ende des Transferfensters noch ein absoluter Glücksgriff im Sturmzentrum, oder der FC Lugano muss wohl weiter ohne wirklichen Torjäger auskommen.

Servette FC

? Die beiden Ballkünstler

Der eine ist ein Shootingstar, der im Herbst so richtig durchgestartet ist, der andere ist ein gestandener Spieler, um dessen Qualität die Liga schon lange weiss. Was beide vereint ist nicht nur dieselbe Klubfarbe, sondern auch eine unglaublich feine fussballerische Klasse. Die Rede ist natürlich von Kastriot Imeri (21) und Miroslav Stevanovic (31). Die beiden Offensivkräfte waren in der Vorrunde an 27 der 32 Servette-Treffer direkt beteiligt – was einer unfassbaren Quote von über 84% entspricht. Die beiden Ballkünstler sind aber nicht nur für die Torproduktion und die Chancenkreation essentiell, sondern fürs gesamte Genfer Spiel.

Während der frischgebackene Schweizer A-Nationalspieler Imeri überall auf dem Feld anzutreffen ist und auch als Schütze ruhender Bälle Gefahr verströmt, beackert Stevanovic unermüdlich die rechte Aussenbahn und spielt Schlüsselpass um Schlüsselpass. Imeri dürfte über den Sommer hinaus nicht zu halten sein, in der Rückrunde wird er zusammen mit seinem Teamkollegen „Mica“ allerdings noch einmal das ganze Land verzücken. Es kommt wirklich selten vor, dass ein Schweizer Team aus dem (oberen) Mittelfeld der Tabelle zwei solch begnadete Fussballer in seinen Reihen hat. Alleine schon die beiden Kreativspieler auflaufen zu sehen, ist in den meisten Fällen das Eintrittsgeld wert – umso besser für die Servette-Fans, wenn sie zudem weiterhin fleissig für Punkte sorgen.

? Überalterte Defensive

Die Abwehr muss den Vereinsverantwortlichen zu schaffen machen. Denn: Torwart Jérémy Frick (28) mussten die Kugel ganze 33-mal aus dem eigenen Netz fischen. Aus den Top 6-Teams mussten die Genfer mit Abstand die meisten Gegentore schlucken. Die am meisten eingesetzten Verteidiger sind alle 30 Jahre oder älter. Trainer Alain Geiger vertraut dabei stets auf eine klassische Viererkette. Hinten links ist Gaël Clichy (36) als ehemaliger Premier-League-Star und dreifacher englischer Meister gesetzt, mit seiner Routine ist er nach wie vor extrem wichtig. In der Innenverteidigung schickt Geiger mehrheitlich Vincent Sasso (30) und Steve Rouiller (31) aufs Feld. Letzterer überzeugte in der Hinrunde eher mit seinen 3 erzielten Treffern als mit seiner Verteidigungsarbeit.

Auf der rechten defensiven Aussenbahn hatte Captain Anthony Sauthier (30) am meisten Einsatzzeit. Der gebürtige Genfer zeigte jedoch fast durchs Band schwache Auftritte und wurde an Yverdon Sport abgegeben. Als Ersatz wurde mit Moritz Bauer (30) ein weiterer Ü-30-Spieler verpflichtet. Klar, Erfahrung ist wichtig. Aber dass die ganze Servette-Abwehr ihren Zenit überschritten hat, war in der Vorrunde offensichtlich. Oftmals fehlte das Tempo, was sich natürlich rächt: Die Genfer liessen die nötige Handlungsschnelligkeit häufig vermissen und kamen immer wieder den berühmten Schritt zu spät. Die 0:6-Heimpleite gegen YB dient da als mahnendes Beispiel. Alain Geiger muss in der Rückrunde zwingend eine bessere Altersstruktur und mehr Ausgeglichenheit in der letzten Kette schaffen. Nachrückende Talente hat es auf dem Servette-Campus zum Glück ja zuhauf.

Grasshopper Club Zürich

? Der Mann an der Seitenlinie

Nach dem Aufstieg wollten die Hoppers mit einem neuen Trainer an den Start. Nach dem Abgang von Uli Forte vor rund zwei Jahren, waren mit Goran Djuricin, Zoltan Kadar und Carlos Pereira ausschliesslich ausländische Übungsleiter im Amt. Insbesondere angesichts der Übernahme des Vereins durch chinesische Investoren rechneten viele mit einem neuen renommierten Trainer, der ein gewisses internationales Standing mitbringt. Doch stattdessen wurde im Sommer Giorgio Contini als neuer GC-Coach präsentiert. Ein halbes Jahr später kann man den Verantwortlichen zu ihrer Wahl nur gratulieren, denn der 48-Jährige macht einen sehr guten Job. Taktisch präsentiert sich sein Team sehr flexibel. Contini lässt meistens im 3-4-1-2-System spielen oder greift bei Bedarf auf eine klassische Viererkette und zwei Angreifer zurück.

Die Hoppers sind zwar vom Renommee und den finanziellen Mitteln her kein normaler Aufsteiger, aber dass sie sich gleich so gut schlagen würden, war nicht unbedingt zu erwarten. Rang 6 nach der Hinrunde ist ein toller Lohn. Contini hat an diesem Erfolg einen grossen Anteil. Nicht nur gelang es ihm, sein Team perfekt auf die Super League einzustellen, er darf sich zudem als Entwickler spannender junger Spieler wie Kaly Sène (20) oder Christian Herc (23) feiern lassen. Dass ein Kenner des Schweizer Fussballs am Seitenrand das Sagen hat, ist für den gesamten Verein Gold wert. Contini, der seine Arbeit mit stoischer Ruhe und rhetorischem Geschick ausführt, ist für GC ein absoluter Glücksgriff und wird dem Verein auch in der Rückrunde guttun.

? GC, das „Farmteam“

Seit der Grasshopper Club im April 2020 von chinesischen Investoren übernommen wurde, herrscht in Niederhasli eine neue Zeitrechnung. Zwar haben die neuen Besitzer den finanziellen Spielraum erweitert und die Existenzängste auf ein Minimum reduziert, doch es ergaben sich auch klare Nachteile für die Hoppers. Der gleichen Investorengruppe gehören neben GC unter anderem auch noch die Wolverhampton Wanderers aus der Premier League. In den knapp zwei Jahren wurden bereits acht Spieler von den Wolves nach Zürich verliehen, einer stiess zudem ablösefrei dazu. Stand jetzt stehen noch vier Profis mit einem laufenden Vertrag in England bei den Hoppers im Kader. Das Business-Modell mit entsprechenden Partnermannschaften kommt in der Fussballbranche immer mehr auf und hat sicherlich auch positive Aspekte, wie GC-CEO Jimmy Berisha nie müde zu betonen wird.

In dieser Winterpause spürte GC allerdings vor allem die unvorteilhaften Seiten dieses Systems: Der erst im Sommer verpflichtete Hayao Kawabe (26) wurde kurzerhand auf die Insel transferiert, ehe er wieder für anderthalb Jahre an die Hoppers zurückverliehen wurde. Hinzu kommt, dass Innenverteidiger Toti Gomes (21) von den Wolves zurückbeordert wurde und nun plötzlich fix in der Premier League eingeplant ist. Salopp gesagt fungiert GC also nur noch als «Farmteam» der Wolves, der Verein ist zu einem Spielball seiner internationalen Investoren degeneriert. Grosses Mitspracherecht haben die in Zürich stationierten Klubverantwortlichen in Sachen Personalpolitik nicht mehr. Durch die stete Gefahr, dass die besten Spieler womöglich jederzeit an die Wolves abgegeben werden müssen, leidet nicht nur die Qualität der Mannschaft, sondern auch die Planungssicherheit für Contini.

FC Sion

? Ungeschlagenheit gegen die Kellerkinder

Die Hinrunde hatte für die leidgeprüften Sion-Fans einmal mehr wenig Erfreuliches zu bieten. Was dem Sittener Anhang aber Mut machen darf, ist die Tatsache, dass ihr Verein gegen die schlechter klassierten Teams stets punktet. Der auf Platz 7 rangierte FC Sion trug in der Rückrunde insgesamt sechs Duelle mit dem FC Luzern, Lausanne-Sport und dem FCSG aus – kein einziges Spiel davon ging verloren, drei Unentschieden und drei Siege sprangen heraus. Genau diese Punkte sind entscheidend dafür, dass sich die Walliser im Mittelfeld des Klassements halten können und bis dato nicht in den Abstiegskampf abgerutscht sind.

Da sich Paolo Tramezzanis Team in den engen Partien gegen direkte Konkurrenzen stets clever angestellt hat, könnte das auch so bleiben. Ein weiteres Zeichen dafür, dass Sion gegen die Teams auf vergleichbarem Niveau stets zu performen weiss, ist die Tatsache, dass der routinierte Goalgetter Guillaume Hoarau (37) alle seine 3 Saisontreffer gegen den FCSG, Lausanne und den FCL erzielt hat. Gelingt es den Wallisern, den starken 2-Punkte-Schnitt gegen die schlechter rangierten Teams zu halten, haben sie wohl nichts mit dem Abstieg zu tun.

? Kontinuität: Ein Fremdwort beim FC Sion

Seit Präsident Christian Constantin die Zügel bei den Wallisern in den Händen hält, ist er das einzige Kontinuum im Verein. Auch in dieser Saison gab es schon den obligaten Trainerwechsel, von Marco Walker zu Paolo Tramezzani. Attraktiver spielen die Walliser nun zwar nicht, ein wenig effizienter hingegen schon. Doch nicht nur auf der Position des Coaches herrscht ein reges Kommen und Gehen, sondern auch bei den Spielern ist die Fluktuation enorm. Sieben Akteure stehen schon drei Jahre oder länger beim FC Sion unter Vertrag. Der gesamte Rest kam im Sommer 2019 oder später ins Wallis.

Bislang hält sich Constantin in dieser Wechselperiode mit Transfers nobel zurück, bevor neue Spieler verpflichtet werden können, muss das Team aber sowieso erst verkleinert werden. In der Hinrunde kamen für die Walliser total 31 verschiedene Spieler zu Einsatzminuten. Dieser Wert ist einsame Ligaspitze. Mit einem solch aufgeblähten Kader ist das Trainerteam stets auf der erfolglosen Suche nach der richtigen Zusammensetzung und eine nachhaltige Entwicklung ist für das Kollektiv und auch für jeden einzelnen Spieler schwierig. Unter diesen Vorzeichen wird für den Klub langfristig kaum je mehr als die untere Tabellenhälfte drinliegen – es sei denn, es wird mal so richtig ausgemistet und der Transferstrategie ein klares Konzept verpasst.

FC St. Gallen 1879

? Vielversprechende Wintertransfers und Wiedergenesene

In der Vorrunde waren die Espen vom Verletzungspech verfolgt. Schlüsselspieler wie Leonidas Stergiou (19), Nicolas Lüchinger (27) oder Michael Kempter (27) verpassten zahlreiche Partien. Im Hinblick auf den Neustart sieht die Situation allerdings wesentlich entspannter aus. Nur Leonhard Münst (19), der sich in der Vorbereitung den Knöchel gebrochen hat, wird dem FCSG längerfristig fehlen. Die verletzungsbedingte frühzeitige Beendigung der Leihe von Ousmane Diakité (21) wiegt angesichts seiner überzeugenden Auftritte zwar schwer, jedoch haben die St. Galler mit Alexandre Jankewitz (20) und der überraschenden Rückholaktion des früheren Captains Jordi Quintilla (28) starken Ersatz ergattern können. Weiter wurden Innenverteidiger Matej Maglica (23) und Spektakelspieler Christopher Lungoyi (21) ausgeliehen.

Mit Julian Von Moos (20) vom FC Basel konnte Alain Sutter gar einen ehemaligen FCSG-Nachwuchsspieler fest unter Vertrag nehmen. Für Trainer Peter Zeidler sind vor allem die Rückkehrer auf den Aussenverteidiger-Positionen enorm wichtig. Dazu sind alle Zuzüge vielversprechend, gerade die Rückkehr von Regisseur Quintilla ist für das Mannschaftsgefüge extrem wertvoll. Für die Rückrunde sind die beiden Schweizer U21-Internationalen Jankewitz und Lungoyi sehr interessante neue Gesichter. Wenn sie ihre Qualitäten voll in den Dienst der Mannschaft stellen, können beide in St. Gallen explodieren. Auch Von Moos bringt zurück in seiner gewohnten Umgebung viel Energie und Drive in die Offensive. Der aus Stuttgart ausgeliehene Maglica ist mit 1,96m-Körpergrösse physisch eine Wucht und mit seinem starken linken Fuss ergänzt er sich auf dem Papier perfekt mit Innenverteidiger-Partner Stergiou. Im Verbund mit den Comebacks der verletzten Spieler, verfügen die St. Galler dank den Neuzugängen für die Rückrunde über deutlich mehr Qualität.

? Mangel an Erfahrung

Nach der Hälfte der Saison finden sich die Ostschweizer nur auf dem 8. Tabellenrang wieder. Obwohl die Leistungen oft nicht schlecht waren und nie wirklich Krisenstimmung herrschte, ist die Punkteausbeute sehr mager. Ein Hauptgrund für die missliche Lage ist die fehlende Cleverness in entscheidenden Situationen. Dies ist der Unerfahrenheit des Teams geschuldet: Der FCSG stellte in der Hinrunde mit durchschnittlich 25,2 Jahren die jüngste Mannschaft der Super League. Daraus resultierte in Kombination mit der risikobehafteten Spielweise auch eine gewisse Naivität.

Vor allem in der Chancenverwertung oder beim Verteidigen in der letzten Kette war das immer wieder offensichtlich. Aber auf dem Wintertransfermarkt bleiben sich Verantwortlichen treu und setzen fast ausnahmslos auf junge, entwicklungsfähige Spieler. Dieser Weg birgt aber viel Risiko, denn stellen sich nicht bald mehr Punktgewinne ein, rutschen die St. Galler mitten in den Abstiegssumpf. Letztes Jahr konnte der FCSG den Gang in die Challenge League noch verhindern, doch in dieser Spielzeit verspricht der Kampf um den Abstieg ein richtiger Krimi zu werden. In diesen Augenblicken entscheidet sich meist viel im Kopf und nicht unbedingt in den Füssen. Kommt es zu einem Showdown im Tabellenkeller, könnte sich das Fehlen von Routiniers für die Espen als Eigentor entpuppen.

FC Lausanne-Sport

? Mehr Offensiv-Power im Dreizack

In der Vorrunde war Zeki Amdouni (21) oft Alleinunterhalter im Angriff der Lausanner. Trotz wenig Unterstützung zeigte der gebürtige Genfer starke Auftritte, schoss 4 Treffer in der Liga und konnte sein grosses Potential mehr als nur andeuten. Für die kommenden 18 Partien darf sich der beidfüssige U21-Natispieler mehr Support in der Offensive erhoffen. Zum einen haben die Waadtländer mit Marvin Spielmann (25) einen einstigen Super-League-Shootingstar an Bord geholt, der bei YB nicht zum Zug gekommen ist. Der Wechsel nach Lausanne könnte für beide Seiten ein voller Erfolg werden, denn Spielmann ist noch immer jung und seine Klasse ist trotz einer schwierigen Karrierephase unbestritten.

Auch ein zweiter Wintertransfer verspricht mehr offensive Feuerkraft: Der letztjährige Challenge-League-Torschützenkönig Rodrigo Pollero (25) konnte unter Vertrag genommen werden. Seine Kopfballstärke und seine Abgezocktheit in der Box könnte für Lausanne entscheidend werden. Das Comeback von Torjäger Aldin Turkes (25) lässt allerdings immer noch etwas auf sich warten. Der Mittelstürmer zog sich vor über einem Jahr einen Kreuzbandriss zu und ist nach wie vor im Aufbautraining. Die neuverpflichteten Angreifer werden im Verbund mit Zeki Amdouni für Furore sorgen und einen neuen Offensiv-Dreizack bilden, der die Waadtländer aus der Abstiegszone ballert – zumindest ist das die Hoffnung der sportlichen Führung.

? Niederschmetternde Statistiken

Der Wert von Statistiken im Fussball darf in gewissen Fällen berechtigterweise angezweifelt werden. Manchmal vermitteln die nackten Zahlen ein nicht ganz korrektes Bild. Dies ist bei Lausanne-Sport in dieser Spielzeit aber gewiss nicht der Fall, denn zahlreiche wichtige Statistiken zeichnen ein bedenkliches Bild: Die Waadtländer liegen bei den kassierten Treffern und den Nicht-Elfmetertoren auf dem letzten Rang der Liga. Dies spiegelt sich auch in der miserablen Tordifferenz von -19 wider. Bedeutet also: Lausanne hat eine löchrige Abwehr und einen harmlosen Angriff – schlechte Voraussetzungen.

Dazu kommt, dass die Lausanner in der Hinrunde sieben Elfmeter verschuldet haben­ – negativer Höchstwert der Liga. Ebenfalls am Ende der Rangliste steht man bei den Schüssen aufs Tor (65) und den geschlagenen Flanken (246). Beide Werte zeigen, dass das Team von Ilija Borenovic im Spiel nach vorne schlichtweg die Ideen und die Durchschlagskraft fehlt. Auch beim Ballbesitz reihen sich die Waadtländer mit 45,4% auf dem zweitletzten Rang ein. Wir sehen also: Bei praktisch allen aussagekräftigen Statistiken, sowohl mit als auch gegen den Ball, steht Lausanne nach der Hälfte der Saison fürchterlich da. Der Klub befindet sich daher auch völlig zurecht so tief unten in der Tabelle und kann nur froh sein, dass mit Luzern ein weiteres Sorgenkind am Tabellenende herumdümpelt.

FC Luzern

? Der Neue aus dem Ländle

Die Innerschweizer sind der einzige Klub, der in der Winterpause einen Trainerwechsel vollzogen hat. Nach der katastrophalen Hinrunde inklusive Querelen mit Ex-Coach Fabio Celestini, haben die Luzerner Mario Frick vom FC Vaduz losgeeist. Der 47-Jährige bringt dringend benötigten frischen Wind in den Verein. Er stieg zwar in der letzten Spielzeit mit den Liechtensteinern ab, sein Team schlug sich aber dennoch beachtlich und zeigte auch in der Challenge League eine gute erste Saisonhälfte, inklusive Gewinn der Wintermeisterschaft. Der schön anzusehende Offensivfussball von Celestini war in der Theorie vielversprechend, brachte in den vergangenen Monaten aber nichts Zählbares.

Frick bringt eine andere Spielidee mit, die viel mehr Augenmerk auf defensive Stabilität und Intensität legt, sein bevorzugtes System wartet mit einer Dreier- bzw. Fünferkette auf. Nicht umsonst forderte der ehemalige Stürmer also zuletzt, dass er das fitteste Team der Liga haben möchte. Sind die Luzerner physisch wirklich auf einem top Niveau, kann Frick seine Ideen optimal umsetzen. Im Vergleich zu seiner Zeit beim FCV verfügt er jetzt auch über einen namhafteren Kader mit besseren Einzelspielern. Frick gilt zudem als grosser Motivator und wird alles daransetzen, dass er in seiner zweiten Amtszeit in der Super League nicht zum zweiten Mal den Gang in die Challenge League antreten muss. Er kann zu seinem Glück weiterhin auf die jungen Leistungsträger Marco Burch (21) und Filip Ugrinic (23) zählen, die beim Kampf um den Klassenerhalt Schlüsselrollen einnehmen werden.

? Miserabel im eigenen Zuhause

Normalerweise sammeln Fussballmannschaften bei Spielen vor heimischem Publikum mehr Punkte als bei Auswärtspartien. In der Super League trifft diese einfache These in der laufenden Saison auf acht von zehn Teams zu. Eigentlich sollten die eigenen Fans Auftrieb verleihen und den eigenen Verein zum Sieg schreien. Beim FCL sieht dies bislang aber ganz anders aus, denn aus 9 Liga-Heimspielen resultierten gerademal 5 magere Punkte. Neben 2 Remis datiert der einzige Sieg in der Swisssporarena auf den 24. Oktober 2021, als man den FC St. Gallen mit 2:0 schlug. Ansonsten hagelte es zahlreiche Niederlagen im heimischen Stadion. In den letzten 5 Jahren waren die Luzerner in der Heimtabelle mit Ausnahme der Spielzeit 2018/19 stets in der oberen Tabellenhälfte angesiedelt und holten durchschnittlich starke 1,51 Zähler pro Spiel.

Die bisherige Heimbilanz sieht mit im Schnitt 0,56 Punkten pro Partie dagegen katastrophal aus. Die Differenz von rund einem Punkt ist auch nicht mit den pandemiebedingten Zuschauereinschränkungen zu begründen, denn in dieser Spielzeit waren immer Fans zugelassen. Die Heimschwäche der Innerschweizer ist ein grosses sportliches Problem. Setzt sich die Negativquote aus der Hinrunde fort, steht der FCL schon mit einem Bein in der Challenge League. Mit nur zehn Heimzählern am Ende der Saison wäre der Klassenerhalt zweifelsohne ein Ding der Unmöglichkeit.

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