Ein Blick auf den zweiten Schweizer Gruppengegner an der WM: Was hat die Schweiz der geballten Qualität der Brasilianer entgegenzusetzen?
Brasilien ist auf dem Papier der klare Favorit in der Gruppe G – und das nicht nur wegen seinem grossen Namen. Der fünffache Weltmeister qualifizierte sich souverän als Erstplatzierter der südamerikanischen WM-Qualifikation für das Turnier und wartet mit Spielern von Weltklasse-Format in jedem Mannschaftsteil auf. Nach vielen Jahren der Enttäuschung soll 2022 nun endlich wieder der grosse Wurf gelingen. 2014 liess man sich im eigenen Land im Halbfinale mit 1:7 von Deutschland demütigen. Vier Jahre später war dann bereits im Viertelfinale gegen Belgien Schluss.
Qualität im Übermass
Auf das verfrühte Aus in Russland folgte ein dringend benötigter Umbruch: Routiniers wie Marcelo, Miranda oder Willian wurden durch Spieler der neuen Generation wie Éder Militão (Real Madrid), Lucas Paquetá (West Ham) oder Vinicius Junior (Real Madrid) ersetzt. Gerade Letzterer entwickelte sich in den letzten 18 Monaten zum absoluten Superstar und steuerte massiv zu Reals nationalen und internationalen Erfolgen bei. Auch in der Nationalmannschaft nimmt „Vini“ mittlerweile eine wichtige Rolle ein und bildet im Verbund mit Neymar (PSG), Richarlison (Tottenham), Raphinha (Barcelona), Gabriel Jesus (Arsenal) und Rodrygo (Real Madrid) eine furchterregende Offensive.
Besonders beeindruckend ist die Qualität auf der brasilianischen Bank. Falls Casemiro – langjähriger Schlüsselspieler bei Real Madrid und seit Sommer bei Manchester United unter Vertrag – einen schlechten Tag im zentralen Mittelfeld erwischt, kann Trainer Tite einfach Fabinho von Liverpool oder Bruno Guimarães von Newcastle United ins Getümmel werfen. Und bei einer Verletzung von Torhüter Allison Becker (Liverpool) steht Ederson bereit, seines Zeichens vierfacher Premier-League-Sieger und Teamkollege von Manuel Akanji bei Manchester City. Das verdeutlicht: Brasilien verfügt über einen unglaublichen Luxus-Kader, der in puncto Qualität aktuell vielleicht weltweit seinesgleichen sucht.
Neymar ist immer noch der Talisman, fällt gegen die Schweiz aber aus
Weltstar Neymar ist mit 30 Jahren in seiner Prime und verkörpert die Klasse Brasiliens wie kein Zweiter. In der aktuellen Saison hat der Brasilianer auf Clubebene überragende 15 Tore erzielt und 12 weitere vorbereitet. In der Nationalmannschaft ist Neymar mittlerweile auf einer Ebene mit Ikonen wie Pelé oder Ronaldinho. Mit einem Total von 75 Toren und 55 Vorlagen in 122 Länderspielen für Brasilien ist das auch nicht weiter erstaunlich. Besonders spannend: Neymar braucht noch drei Tore, um Pelé als ewigen Rekordtorschützen in der Selecao zu überholen. Erreicht er diesen Meilenstein an der Weltmeisterschaft in Katar?
Das schien vor dem Turnier mehr als nur plausibel. Nach dem ersten Spiel gegen Serbien (2:0) ist die Wahrscheinlichkeit dafür aber ein wenig gesunken. Beim Startsieg musste Neymar verletzt vom Platz und wird nun voraussichtlich für den Rest der Gruppenphase ausfallen. Glück für die Schweiz?
Zuletzt spielte die Nati an der Weltmeisterschaft 2018 gegen Brasilien – mit viel Herz knöpften die Schweizer dem Favoriten nach Rückstand noch ein 1:1-Remis ab. Besonders Valon Behramis Kampfgeist hinterliess in dieser Partie bleibenden Eindruck, im Alleingang stellte er Neymar kalt. Für eine weiteren Punktgewinn – oder gar mehr – sind eine solidarische Mannschaftsleistung und ein Quäntchen Glück von Nöten. Trainer Murat Yakin hat in seiner kurzen Amtszeit aber bereits bewiesen, grossen Nationen mit cleveren taktischen Mitteln ein Bein stellen zu können…