Kevin Carlos: Ein guter Ersatz für FCB-Stürmer Thierno Barry?

Gastbeitrag von Maxime Schär – Futbol Therapist: Über 14 Millionen nimmt der FC Basel mit dem Verkauf von Thierno Barry ein. Eine Summe, die viel über seine Klasse und seine Bedeutung für den FCB aussagt. Barrys neuverpflichteter Nachfolger, Kevin Carlos, soll ihn vergessen machen. Was dürfen die Basler Fans von ihren neuen Stürmer erwarten?

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Thierno Barry (21) ist ein Phänomen. Innerhalb eines Jahres legte der junge Franzose eine unfassbare Entwicklung hin, vom Unglücksraben zum besten Scorer der Super League. Barrys Profil ist hochinteressant (mehr dazu in unserer Analyse hier), ja fast schon einzigartig. Sein Wechsel in eine Top-Liga daher nicht überraschend. Der FC Basel hatte genug Zeit, um den Abgang seines Torjägers zu antizipieren. Und präsentiert nur wenige Tage darauf Kevin Carlos (23) als Nachfolger im Sturm.

Carlos kommt mit der Empfehlung der Torschützenkrone 2023/24 ins Joggeli. 14 Treffer erzielte er in der letzten Saison für Aufsteiger Yverdon, was ihn gemeinsam mit Chadrac Akolo (St. Gallen) und Zan Celar (Lugano) auf den ersten Platz im Torjäger-Klassement hievte. Was Carlos dabei ausgezeichnet hat: Eine unglaublich gute Qualität beim Erreichen von Flanken. Nicht weniger als sechs Kopfballtreffer erzielte er so in der abgelaufenen Saison. Als Zielspieler funktioniert er dank drei Stärken besonders gut: Seine klugen Positionierungen in der Box, seine Fähigkeit, seinen Körper im Duell mit Wucht einzusetzen und seine gut getimten Läufe in die Gefahrenzone. In Kombination ergibt das ein hervorragendes Paket für einen mobilen Zielspieler. Damit bringt Carlos Qualitäten ins FCB-Spiel die Barry teilweise noch ein wenig abgingen.

Exzellente Kopfballtechnik: Wenn man bedenkt, wie gut die Kopfballtechnik von Kevin Carlos ist, sollte das schon reichen, um an die Anzahl der Tore heranzukommen, die Barry letzte Saison für den FCB erzielt hat. Das gilt insbesondere, da Carlos‘ gute Bewegung nicht nur auf Flanken beschränkt sind.

Gespür für den Raum: Und es geht noch besser: Die typische Stürmer-Idee, im „toten Winkel“ des Gegners zu stehen, wendet er nicht nur in Flanken-Situationen an. Das ändert zwar nicht alles, aber es ist definitiv ein Zeichen von Spielintelligenz. Und verhilft ihm, im Rücken des Gegners Räume zu finden. Dieses Gespür, auch bekannt als „Nase“, ist ein Parademerkmal für einen Knipser.

Viele Tiefenläufe: Seine cleveren Bewegungen lassen sich auch auf das Timing seiner Tiefenläufe übertragen. Carlos ist sehr mobil, gerade auf den ersten Metern trotz seiner wuchtigen Statur ziemlich spritzig. Mit viel Power attackiert er die Tiefe, lauert an der Offside-Grenze auf lange Bälle und Steilpässe. Diese Fähigkeit weitet sein Gefahrenpotenzial nochmals deutlich aus. Hie und da läuft er aber noch etwas oft in eine Abseitsposition.

Frage des Energiehaushalts: Insgesamt kommen Abseitsstellungen in Carlos‘ Spiel eher regelmässig vor. Die Basler Fans haben mit Barry bereits Ähnliches erlebt. Bei Carlos liegt es daran, dass er sich nicht schnell genug neu positioniert. Das wiederum könnte an seinem Energiemanagement liegen, da er verhältnismässig viel Gewicht tragen muss (98 kg / 186 cm) und zwangsläufig relativ schnell an seine Grenzen stösst.

Sein Gewicht – Fluch und Segen: Sein schweres Gewicht hilft ihm natürlich nicht, wenn er sich zum Ball drehen oder schnell aus einem spitzen Winkel abschliessen muss (wie im vorherigen Clip gezeigt). Es reduziert also seine Agilität und Schnelligkeit in engen Räumen deutlich. Aber sein Gewicht kann auch eine Stärke sein: So nutzt er seine Wucht in Zweikämpfen voll aus. Carlos ist enorm durchschlagskräftig, kommt mit viel Power ins Duell und ist fähig, jeden Gegner auf Distanz zu halten. Das macht Hoffnung, dass er Barrys Rolle als Zielspieler ohne Probleme übernehmen kann.

Hervorragende Schusstechnik: Zwar verfügt Carlos nicht über die Schnelligkeit (gerade über längere Distanz) und die Dribbelkünste seines Vorgängers. Dafür sticht er diesen aber bei der Abschlussqualität aus. Carlos vermeidet überhastete Abschlüsse aus ungünstiger Lage und versteht es, den richtigen Winkel zu finden. Dazu bringt er eine herausragende Schusstechnik mit. Er kombiniert Präzision mit Kraft wie nur wenige andere Stürmer in der Schweiz.

Was lässt sich nach dieser Kurz-Analyse für ein Fazit ziehen? In erster Linie gilt: Carlos hat alle Anlagen, um Barry sportlich zu ersetzen. Aufgrund seiner dargelegten Qualitäten darf davon ausgegangen werden. dass er die Tor-Ausbeute seines Vorgängers mindestens matchen, wahrscheinlich aber übertreffen wird. Trotzdem ist zu bezweifeln, dass Basel mit seiner Spielertrading-Strategie Carlos dereinst für eine ähnlich viel Geld ins Ausland verkaufen kann. Sein Marktwert dürfte aufgrund seines Mangels an flinken Bewegungen und Geschwindigkeit über längere Distanzen kaum so hoch werden wie jener von Barry. Gesund etwas Gewicht zu verlieren würde ihm in diesen Belangen sicherlich helfen, ohne dabei aber seine Stärken (Durchschlagskraft, Standhaftigkeit) zu verlieren.

Für den neutralen Zuschauer geht es nun vorerst aber darum, Carlos weiter in der Super League zu geniessen. Denn der Spanier ist, das steht ausser Frage, von Spielstil und Profil her eine Attraktion für die Liga.

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