Transfer Scouting: Wie könnte YB Aurèle Amenda ersetzen?

Aurèle Amenda wechselt per Sommer 2024 in die Bundesliga. Wie könnten die Young Boys ihren Innenverteidiger ersetzen? Wir präsentieren mögliche Nachfolgekandidaten.

Aurèle Amenda (20) wechselt im kommenden Sommer in die Bundesliga zu Eintracht Frankfurt. Der U21-Nationalspieler zählt zu den grössten Versprechen der Schweiz. Im vergangenen Jahr gelang ihm der Durchbruch auf Profi-Stufe, er lief in der Champions League auf, stand im Cupfinal in der Startelf und wurde gar von Nationaltrainer Murat Yakin auf die Pikettliste gesetzt. Der nächste Schritt war also nur eine Frage der Zeit. Im letzten Jahr noch lehnten die Berner Avancen für ihr Kronjuwel aus der Premier League ab. Nun hat YB einem Verkauf Amendas zugestimmt.

Was verliert YB mit Amenda?

Auch wenn er in Bern keinen unbestrittenen Stammplatz inne hat, bringt Amenda ein Fähigkeitenprofil mit, das ihn für eine internationale Karriere prädestiniert. Der Seeländer misst rund 1,94m, ist robust und durchschlagskräftig. Im Zweikampf und in der Luft ist Amenda eine Naturgewalt. Trotz seiner Wucht ist er relativ schnell, kann Gegner ablaufen und die Tiefe verteidigen. Athletisch gehört er im internationalen Vergleich bereits jetzt zur Top-Klasse. Aber auch am Ball bringt Amenda Qualitäten mit. In der letzten Saison war er in puncto angekommener langer Bälle und progressiver, d.h. raumgewinnender Pässe, in der Liga-Spitze. Mehr dazu in unserem Wyscout-Daten-Rückblick hier. Und auch in der laufenden Spielzeit weist er im Spielaufbau herausragende Werte auf. Kein Spieler verzeichnete in der Hinrunde im Schnitt mehr Zuspiele ins letzte Drittel als er.

Amendas Profil ist also sehr komplett – er vereint Physis, Athletik und spielerische Qualität. Und das auf exzellentem Niveau, trotz jungen Alters. Einen Spieler mit all diesen Fähigkeiten zu ersetzen, ist eine Herkulesaufgabe. Welche Optionen wären sinnvoll für YB?

Wie könnte man ihn ersetzen?

Ein Blick auf die Transferstrategie des Schweizer Meisters verrät: YB wildert gerne in heimischen Gefilden. Die Berner haben es sich zur Aufgabe gemacht, die besten Spieler des Landes in die Bundeshauptstadt zu lotsen. Diese klare Tendenz bestätigen die Transfers der letzten Jahre: Silvan Hefti, Anthony Racioppi, Kastriot Imeri, Filip Ugrinic, Cedric Itten, Darian Males oder jüngst Xamax-Juwel Zachary Athekame haben allesamt ihren Weg ins Wankdorf gefunden. Gut möglich, dass sich YB daher auch bei der Suche nach einem neuen Innenverteidiger dieser bewährten Strategie bedient.

Die logische Lösung: Luca Jaquez

Orientiert man sich daran, dann kommt vorderhand vor allem ein Name in Frage: Luzern-Juwel Luca Jaquez (20), ein Teamkollege Amendas in der U21-Nati. Im letzten Halbjahr gelang ihm in der 1. Mannschaft des FCL der grosse Durchbruch, im Herbst stieg er zum Stammspieler in der Abwehrzentrale auf. Jüngst stellten wir ihn als eine der Entdeckungen der Saison genauer vor. Auch Wegbegleiter schwärmen schon lange von Jaquez, Frick verglich ihn einst einmal mit Manuel Akanji. Zugegeben ein grosser Vergleich. Aber Potential für eine erfolgreiche Karriere bringt Jaquez fraglos mit.

Aber was konkret qualifiziert ihn, von allen jungen Schweizer Innenverteidigern in der Liga, als Amenda-Nachfolger? Die offensichtliche Antwort: Physis und Athletik. Also jene Merkmale, die auch Amenda so auszeichnen. Jaquez ist gross (1,87m), breitschultrig und robust. Dazu sehr mobil und beweglich, auch die Geschwindigkeit ist stark. Trotz seiner Kraft ist Jaquez ein geschmeidiger, fast schon elegant anmutender Verteidiger. Und kann als einen der wenigen in Sachen Zweikampfstärke mit Amenda mithalten. Tatsächlich weist Jaquez ligaweit die höchste Erfolgsquote in Duellen auf (83%). Ein unfassbarer Wert. Damit ist das FCL-Eigengewächs der durchsetzungsstärkste Spieler der Super League.

Für den Spielaufbau ist Jaquez (noch) deutlich weniger entscheidend als Amenda, ist statistisch eher unauffällig. Heisst: Am Ball gibts noch Luft nach oben. Seine spielerische Passivität könnte aber auch auf die Dominanz Ardon Jasharis zurückzuführen sein, der sich die Bälle von den Abwehrspielern abholt und diese dann verteilt. Ein Fragezeichen gibts auch hinter seiner Verfügbarkeit. Der FC Luzern dürfte herzlich wenig Interesse daran haben, einen wichtigen Spielern ligaintern abzugeben. Und doch: Von seinen körperlichen Anlagen her wäre Jaquez ein fast schon idealer Amenda-Nachfolger. Er passt sehr gut ins Profil. Es braucht wenig Fantasie, um sich diesen Transfer vorstellen zu können.

Die kreative Lösung: Roggerio Nyakossi

Ein zweiter möglicher Name auf YB’s Liste könnte er sein: Roggerio Nyakossi (19), seit eineinhalb Jahren im Nachwuchs von Olympique Marseille aktiv. In Frankreich kratzt der Genfer an der 1. Mannschaft, trainiert fix mit den Profis und sitzt in der Ligue 1 mittlerweile oft auf der Bank. Dass er sich aber wirklich langfristig in Marseille durchsetzt, ist alleine schon aufgrund der grossen Konkurrenz eher unwahrscheinlich. Ein Wechsel zurück in die Heimat würde Sinn ergeben. YB ist in der Vergangenheit auch mit der Strategie, Schweizer Talente aus dem Ausland zurückzuholen, sehr gut gefahren. Genau in dieses Raster passt Nyakossi.

Obwohl er erst fünf Einsätze in der Super League absolviert hatte, war Marseille im Sommer 2022 bereit, zwei Millionen Euro an Servette zu überweisen. Und das aus gutem Grund. Ähnlich wie Amenda und Jaquez, ist Nyakossis körperlich eine Macht. Er ist 1,94m gross, muskulös und kräftig. Mit seinen langen Beinen kann er Bälle abfangen und Gegner mit raumgreifenden Schritten ablaufen. Alleine schon aufgrund seiner Physis wird es Nyakossi über kurz oder lang an die (erweiterte) Schweizer Spitze schaffen. Das Potential ist vorhanden. Auch wenn er spielerisch noch Luft nach oben hat. Nyakossi wäre eine gewagte, aber kreative Lösung.

Die riskante Lösung: Bryan Okoh

Bryan Okoh (20) galt lange Zeit als das grösste Schweizer Abwehrtalent seiner Generation. Talentiert ist Okoh noch immer sehr – aber seine Entwicklung wurde in den letzten Jahren aufgrund grossen Verletzungspechs arg gebremst. Der Waadtländer wechselte 2019 in den Nachwuchs von RB Salzburg und erhielt schon zwei Jahre später ein Aufgebot von Murat Yakin, ohne überhaupt jemals in der österreichischen Bundesliga für die «Bullen» aufgelaufen zu sein. Unglücklicherweise riss sich Okoh just bei diesem Zusammenzug das Kreuzband. Und hatte seither wiederholt mit anderen Verletzungen zu kämpfen. Die erste Hälfte dieser Saison verpasste Okoh erneut rekonvaleszent – nun ist er aber wieder fit.

Warum sollte YB einen Spieler mit dieser langen Verletzungshistorie verpflichten? Weil Okohs Anlagen noch immer brachial gut sind. Dass er als Teenager ohne Profi-Erfahrung schon im Kreise der A-Nationalmannschaft war, sagt vieles. Okoh ist explosiv und sehr schnell, dazu robust und durchschlagskräftig. Diese fantastischen athletischen Anlagen werden durch grosse spielerische Qualität und Beidfüssigkeit komplettiert. Gerade Letzteres ist ein unglaublich grosses Plus. Und bei Innenverteidigern sehr selten. Bliebe er von Verletzungen verschont, so hätte Okoh alles, um eine Karriere auf Top-Level hinzulegen. Dass er bei Salzburg in naher Zukunft den Durchbruch schafft, darf bezweifelt werden. Ein Wechsel nach Bern, um wieder in Tritt zu kommen? Er könnte für alle Parteien Sinn ergeben. Auch wenn er mit Risiken verknüpft sein mag.

Weitere Optionen

Natürlich ist es auch möglich, dass sich YB mit einem Spieler aus dem Ausland verstärkt ohne Schweizer Bezug. Oder ab Sommer auf Freiburg-Leihgabe Joel Bichsel (21), der in der 3. Liga gute Leistungen zeigt, setzen will. Optionen gibt es viele – und YB ist auf dem Transfermarkt für spannende Lösungen bekannt. Klar ist: Mit Amenda geht viel Qualität und noch mehr Potential verloren. Aber auch der Nachfolger dürfte dem Berner Publikum viel zu bieten haben. Über das nötige Kleingeld verfügt YB ja bekanntlich.

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